Fanny Stiefel (†96) starb im Jahr 2017. Sie hinterliess mit ihrer Liegenschaft an der Berglistrasse in Wil SG ein grünes Idyll am Rande der Altstadt. Der grosse Garten erinnert, auch wenn er unterdessen etwas verwildert aussieht, an einen Park. Eingerahmt wird das 1800 Quadratmeter grosse Grundstück von einem alten Baumbestand.
Stiefel, eine passionierte Tierschützerin, lagen vor allem Hunde sehr am Herzen. In ihrem Testament, das sie einige Jahre vor ihrem Tod aufsetzen liess, bestimmte sie, dass ihre Liegenschaft mitsamt Umschwung einer neu zu gründenden Tierschutz-Stiftung – der Fanny Stiefel Stiftung – vermacht werden sollte. Die Stiftung soll ihr Haus dann an den höchstbietenden Interessenten verkaufen.
«Park muss als Grünzone erhalten bleiben»
Allerdings: Der grosse Park rund um ihr Haus muss erhalten bleiben. Ende Juni 2017 liess Stiefel zu diesem Zweck eine eigenständige Verfügung aufsetzen. Falls ein Baum aus Altersgründen gefällt werden müsse, sei er an der gleichen Stelle zu ersetzen. «Der ganze Park darf nicht verbaut werden und muss als Grünzone erhalten bleiben», so der Wunsch der Wilerin. Nebst Stiefel unterschrieben eine Freundin und zwei weitere Zeugen die Verfügung. Sie liegt Blick vor.
Doch damit dieser letzte Wunsch rechtlich bindend geworden wäre, hätte er beim Grundbuchamt noch vor ihrem Ableben hinterlegt werden sollen. Doch Stiefel starb nur einen Monat nach Aufsetzen der Verfügung. Und nun schauen Anwohnerinnen und Anwohner im Bergliquartier fassungslos zu, wie Fanny Stiefels letzter Wille ignoriert wird.
Zwei Mehrfamilienhäuser statt Idylle
Ende Mai 2022 fuhren nämlich grosse Maschinen beim Grundstück auf – die neuen Eigentümer begannen damit, die alten Bäume zu fällen. Auf dem Land sollen zwei Mehrfamilienhäuser mit sieben bis acht Eigentumswohnungen entstehen. Vom Park wäre dann nicht mehr viel übrig. Wieso lässt das die Fanny Stiefel Stiftung zu?
Präsident der Stiftung ist Sandro Mazzariello (37). Als Kadermitglied einer Grossbank verwaltete er bis zu ihrem Tod Fanny Stiefels Vermögen. Auf die Baumfällung angesprochen, will sich Mazzariello nicht daran erinnern können, dass eine Verfügung existiert, die genau das verhindern sollte. Er habe lediglich vage Kenntnis davon gehabt, dass es Abklärungen im Zusammenhang mit den Bäumen gegeben habe, sagt er zu Blick. «Andernfalls hätte man mich sicherlich seitens Willensvollstreckerin oder Grundbuchamt informiert – was jedoch nicht der Fall ist. Somit wurde stets im guten Glauben gehandelt und sämtliche Sorgfaltspflichten und Gesetze eingehalten.»
Allerdings: Einer der Zeugen, der Stiefels Verfügung unterschrieben hat, ist ein Mitglied des Stiftungsrats. Dass Mazzariello als Stiftungsratspräsident nichts davon gewusst haben will, darf darum angezweifelt werden. Der bleibt aber dabei: «Der Fall ist bereits fünf Jahre her und kann mich nicht mehr im Detail an den Sachverhalt erinnern.» Auch kann er sich nicht entsinnen, ob und inwiefern sein Stiftungsrat ihn über die Unterschrift unter Stiefels Verfügung unterrichtet habe.
Und sowieso, so Mazzariello: Da die Verfügung Formfehler aufweise, «ist sie nicht rechtsgültig». Das Fällen der Bäume hingegen schon.
Ex-FC-Wil-Präsident wusste von nichts
Verkauft hatte die Stiftung das Grundstück an den Ex-FC-Wil-Präsidenten Roger Bigger (59). Dessen Firma erwarb das Land im Jahr 2019. Gemäss eigenen Angaben wusste auch er nichts von Stiefels letztem Wunsch. «Wir hören durch Sie das erste Mal von diesem angeblichen Wunsch», sagt er zu Blick. Stiftungspräsident Mazzariello habe während der Verkaufsverhandlungen nie etwas davon erwähnt.
Deshalb ging seine Firma «in guten Treuen davon aus, dass auf dem Grundstück Bäume, ohne vorgängige Bewilligung der Stadt Wil, gefällt werden dürfen», so Bigger.
Doch so einfach ist das offenbar nicht. Denn die Stadt Wil erliess, kurz nachdem die ersten mächtigen Bäume auf dem Grundstück gefällt wurden, einen vorläufigen Baustopp. Grund: «Das Grundstück ist Teil des geschützten Ortsbildes. Dabei sind bestehende, das Ortsbild prägende Freiräume, Vorgärten und Bäume zu erhalten. Die Beurteilung, ob die Erhaltung der Bäume notwendig ist, ist abhängig von der ortsbildprägenden Wirkung», wie Mediensprecherin Susanne Wahrenberger gegenüber Blick erklärt.
Darum würden die Bäume nun zunächst detailliert erfasst und fachlich beurteilt. Danach werde entschieden, ob sie tatsächlich für die beiden Mehrfamilienhäuser gefällt werden dürfen. Nachbarn, die Fanny Stiefels letzten Wunsch kannten, hoffen jetzt darauf, dass am Ende doch noch die Gerechtigkeit siegt und die Idylle gerettet werden kann.
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