Um 12.11 Uhr hält der Wiener Walzer gestern am Bahnhof in Buchs SG. Dem Zug aus Österreich entsteigt eine vierköpfige syrische Familie. Schützend hält die Mutter ihre Hände über ihr erst drei Monate altes Baby. Mit den kleinen Kindern ist das Paar von Kobane zuerst in die Türkei und dann in die Schweiz gereist. Ihr gesamter Besitz passt in einen kleinen Rucksack.
Am Grenzbahnhof Buchs wurde gestern ein grosser Ansturm erwartet, nachdem Ungarn für kurze Zeit die Flüchtlinge mit dem Zug unkontrolliert aus dem Land ausreisen liess. Tausende machten sich so schnell wie möglich auf den Weg Richtung Westen. Doch in Buchs stiegen nur rund ein Dutzend Flüchtlinge aus dem Zug. Der Ansturm fand anderswo statt. Das Ziel der meisten Flüchtlinge: Deutschland.
Tausende sind mittlerweile in München angekommen. «Viele haben wohl Bekannte und Verwandte dort», sagt Hanspeter Krüsi, Mediensprecher der Kantonspolizei St. Gallen. Mehr als 2000 Menschen reisten allein gestern Morgen in die bayerische Landeshauptstadt, nachdem sie die Nacht über in Salzburg in Österreich auf Anschlusszüge gewartet hatten. München war dank der Hilfsbereitschaft der Bevölkerung gut auf den Ansturm vorbereitet. Freiwillige brachten so viel Wasser, Essen und Spielzeuge zum Hauptbahnhof, dass die Polizei mitteilte, dass dort vorerst nichts mehr benötigt werde. Trotzdem forderte Bayern andere deutsche Bundesländer zur Unterstützung auf.
In Buchs kommen pro Woche rund 200 Flüchtlinge an. Seit Juni ist die Zahl aber auch dort stark angestiegen. Kamen früher vor allem Männer aus dem Kosovo, sind es jetzt Familien aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Sie alle werden am Bahnhof von der Grenzpolizei in Empfang genommen und in Buchs auf den Polizeiposten geführt. Auf dem siebenminütigen Fussweg erzählt der Syrer Salar (26) auf Englisch, warum er in die Schweiz kam: «Hier hat es weniger Flüchtlinge, es ist ruhiger als in Deutschland.»
Für seine Flucht brauchte er insgesamt knapp 4500 Franken. Die Reise führte über Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn. Auf dem Posten schreibt ein Polizist eine Nummer auf seine Hand – er bekommt die Drei, weil er der dritte Flüchtling in dem Zug war. Dann werden seine Fingerabdrücke genommen. Er ist erschöpft, aber zufrieden. Mit den anderen wird er ins Empfangs- und Verfahrenszentrum Altstätten SG gebracht. Dort beginnt nun sein Asylverfahren.