Er ist doch kein Raser
Crash-Fahrer bekommt sein Auto zurück

Ein 23-jähriger baute vor drei Jahren einen Unfall. Ein Zeuge behauptete er sei etwa 140 km/h schnell gefahren. Darauf wurde ihm das Auto weggenommen. Doch das Gericht glaubte dem Zeugen nicht.
Publiziert: 25.01.2016 um 12:21 Uhr
|
Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:21 Uhr
1/4
Foto: Kapo SG

Ein Junglenker hat innerorts mit stark überhöhter Geschwindigkeit ein Auto überholt und danach die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Am Kantonsgericht St. Gallen verlangte der 23-Jährige mit Erfolg seinen Wagen zurück und eine mildere Strafe, als er von der Vorinstanz gefällt wurde.

Die rasante Fahrt fand an einem kalten Wintermorgen im Februar 2013 statt. Der in der Schweiz geborene Türke war mit seinem 265 PS starken Auto von der Bahnhofstrasse Uzwil in Richtung Niederuzwil unterwegs, als er von einem Auto überholt wurde. Sogleich setzte er seinerseits zu einem Überholmanöver an. Bei einer Verkehrsinsel mit Fussgängerstreifen musste er eine starke Lenkbewegung machen, verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug und landete in einem Schneehaufen.

Laut Zeuge 140 statt 50 km/h

Das Kreisgericht Wil ging davon aus, dass er statt der erlaubten 50 km/h mit ungefähr 140 km/h unterwegs war. Es verurteilte den jungen Mann am 4. Februar 2015 wegen mehrfacher qualifiziert grober Verkehrsregelverletzung. Als Sanktion sprach es eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Probezeit und eine Busse von 1000 Franken aus. Zudem entschied es, der Personenwagen des Beschuldigten sei einzuziehen und zu verwerten. Dagegen erhob der Beschuldigte Einsprache.

Das Kantonsgericht St. Gallen befragte an der Berufungsverhandlung vom vergangenen Donnerstag einen Zeugen. Er habe von hinten ein Rauschen gehört und sei sprachlos stehen geblieben, als er bemerkt habe, wie schnell die beiden Autos gefahren seien. Der Wagen des Beschuldigten sei in etwa so schnell daher geschossen, wie ein Fahrzeug auf der linken Spur der Autobahn unterwegs sei.

Der Verteidiger bestritt in seinem Plädoyer die Höhe der übersetzten Geschwindigkeit. Sowohl sein Mandant als auch der Beifahrer im Auto hätten glaubhaft ausgesagt, dass sie höchstens 65 bis 70 km/h gefahren seien. Es gebe keinerlei Beweise, dass es sich um eine Geschwindigkeit von über 100 km/h gehandelt habe.

Kantonsgericht kritisiert Kreisgericht

Auf die Schätzungen des Zeugen dürfe sich das Gericht nicht stützen. Der Beschuldigte habe sich zwar nicht korrekt verhalten, dass Verschulden sei aber nicht so gross, wie es das Kreisgericht Wil beurteilt habe. Die Vorinstanz habe ihren Entscheid nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gefällt.

Die Strafe für sein unkorrektes Verhalten sei auf eine bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 90 Franken und eine Busse von 300 Franken festzulegen. Das Strafmass der Vorinstanz sei in jedem Fall viel zu hoch. Der Unfallwagen dürfe nicht eingezogen werden, da es sich nicht um einen Raserunfall handle und der Halter des Autos nicht sein Mandant, sondern seine Mutter sei.

Der Beschuldigte selber verweigerte auf die meisten Fragen des vorsitzenden Richters die Aussage. In früheren Befragungen hatte er ausgesagt, er sei vom Lenker des anderen Wagens ausgebremst worden. Das Kantonsgericht sprach ihn auch auf einen Kleinkredit von 12'000 Franken an, den der Beschuldigte kurz vor dem Erwerb des PS-starken Autos aufgenommen hatte. Auf die Frage, ob er das Geld für das Fahrzeug gebraucht habe, gab er ebenfalls keine Antwort.

Staatsanwalt: «Nur durch Zufall keine Toten»

Die Staatsanwaltschaft plädierte auf Abweisung der Berufung. Es habe sich um ein waghalsiges Überholmanöver gehandelt. Der Beschuldigte habe jedes Mass an Vorsicht im Strassenverkehr missen lassen. Es sei nur dem Zufall zu verdanken, dass es keine Verletzten oder Todesopfer gegeben habe.

Nun hat das Kantonsgericht St. Gallen das Urteil veröffentlicht. Es hat den Entscheid des Kreisgerichts Wil aufgehoben und den Beschuldigten der qualifiziert groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig erklärt. Er wird zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten mit einer Probezeit von zwei Jahren verurteilt. Der beschlagnahmte Personenwagen muss der Mutter herausgegeben werden.

Die Kosten des Untersuchungs- und des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Beschuldigte zu zahlen. Sie betragen 12'000 Franken. Die Kosten des Berufungsverfahrens von rund 7000 Franken gehen zu drei Fünfteln zu Lasten des jungen Mannes, zwei Fünftel zahlt der Staat. (SDA)

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?