Renato Rossi war 16 Jahre lang Direktor des Massnahmenzentrums Arxhof in Niederdorf BL und hat mehrere Jahre mit dem Schützen von Rehetobel gearbeitet. Gegenüber «Radio Energy» sprach er exklusiv darüber, wie er den Rehetobel-Schützen Roger S.* (†33) erlebte. Dort sass dieser nach einem früheren Eifersuchtsdrama zwischen 2004 und 2009. Rossi wählt harte Worte für Roger S.: «Er war eine tickende Zeitbombe».
Roger S. habe fremdenfeindliche Ansichten gehabt: «Seine Welt war eine kleine Welt, in der Ausländer keinen Platz haben. Er hatte Fantasien von Metzeleien und Schiessereien.» Weiter beschreibt Rossi den Schützen von Rehetobel als sehr anpassungsfähig und manipulativ, als Meister der Täuschung.
Er kooperiert – und schlägt zu
In diese Falle seien wohl auch die beiden verwundeten Polizisten getappt. «Das ist typisch, so funktioniert Roger S. Er kooperiert, ist angepasst, das Misstrauen ihm gegenüber wird kleiner. Und plötzlich schlägt er zu.»
Auch Rossi bestätigt, was BLICK schon 2003 schrieb (siehe unten): Roger S. war ein Waffennarr. «Seine Faszination für Waffen hatte etwas suchtähnliches. Man kann fast schon von einer Liebesbeziehung sprechen.»
Dass Roger S. erneut zur Waffe gegriffen hat, überrascht den ehemaligen Arxhof-Direktor nicht. «Bei seinem Austritt haben wir die Behörden informiert und eine genaue Einschätzung über die Risiken abgegeben. Das ist das Risiko, mit welchem wir leben müssen, dass solche Menschen rückfällig werden. Sie sind tickende Bomben in unserer Gesellschaft.»Bekannt wegen Eifersuchtsdrama
Im Kanton war Roger S. kein Unbekannter. Als 19-Jähriger sorgte er für ein Eifersuchtsdrama, BLICK berichtete damals ausführlich. Noch heute erinnern sich viele im Dorf an den «Osterschützen» von Heiden AR: Er konnte nicht verkraften, dass seine damals 15-jährige Freundin sich von ihm trennte. Roger S. bedrohte sie und ihre Eltern – und erhielt dafür zehn Tage Gefängnis bedingt.
Damit war der Streit aber nicht beendet. Im Gegenteil: Der neue Freund seiner Ex drohte Roger S., ihn und seine Familie «auszulöschen». Der Streit eskalierte in der Nacht auf Ostermontag im Jahr 2003. Es kam zum Treffen zwischen S. und zweier Männer, die als «Beschützer» seiner Ex-Freundin auftraten.
Was S. offenbar nicht wusste: Nicht nur er, auch die «Beschützer» waren bewaffnet. Sie rechneten offenbar mit einer gefährlichen Auseinandersetzung und liehen ein geladenes Sturmgewehr von einem weiteren Kollegen aus.
Bis heute ist aber nicht geklärt, wer den ersten Schuss abgab. Die Version von S. und seinem Anwalt lautet, dass einer der «Beschützer» ein Sturmgewehr auf ihn richtete. Es sollen auch Schüsse gefallen sein. Klar ist: S. schoss mit seiner Schrotflinte, traf die «Beschützer» und verletzte sie schwer.Die beiden «Beschützer» waren Brüder, ein vorbeifahrender Velofahrer wurde ebenfalls getroffen.
Roger S. erklärte sein Verhalten mit «ausserordentlich starkem psychischem Druck», Depressionen und Selbstmordgedanken. Er habe seine Gegner nicht töten wollen, sondern «nur verletzen», ihnen «einen Denkzettel verpassen», sagte er vor Gericht.
Polizei nahm ihm die Waffen weg
Die Liebe zu Waffen von Roger S. war gross: Der Schweizer nahm in seinen jungen Jahren immer wieder an Schiesswettkämpfen teil. Sein grösster Erfolg war der Titelgewinn als Jungschützenmeister.
Auch ein Waffenarsenal soll er besessen haben – bis die Polizei gut ein halbes Jahr vor dem Eifersuchtsdrama einschritt und ihm die Waffen wegnahm. «Er hat die Waffen nicht immer mit aller Sorgfalt benutzt», sagte damals ein Sprecher der Kantonspolizei zum BLICK.
Noch ist wenig darüber bekannt, was Roger S. nach seiner Freilassung im Jahr 2009 machte. Vor gut zwei Jahren gründete er eine Firma, mit der er ins Renovationsgeschäft einsteigen wollte. Die Firma lief offenbar nicht gut: Kreditprüfungs-Institute sprachen ihr eine schlechte Zahlungsmoral zu. 2017 wollte er mit seinem Unternehmen durchstarten, zwei neue Angestellte hätten diese Woche bei ihm anfangen sollen.
Roger S. nahm sich gestern Abend jedoch beim Polizeieinsatz das Leben. Kurz vor seinem Tod telefonierte er noch mit seinem Vater. (pma)
* Name der Redaktion bekannt