Dürre-Rekord in der Ostschweiz
Jetzt beginnt das Notschlachten

Die Ostschweiz leidet unter einer lange nicht mehr gesehenen Trockenheit. In den Dürre-Hotspots fiel nur ein Drittel der üblichen Regenmenge. Die Landwirtschaft leidet am meisten.
Publiziert: 23.10.2018 um 00:35 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2018 um 06:58 Uhr
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Mehr Fels als Fall: Der Rheinfall ist nur halb so mächtig wie sonst.
Foto: PHILIPPE ROSSIER
Marco Latzer

Nirgends ist die Trockenheit akuter als in der Ostschweiz. Zwischen April und Oktober fiel im Dreieck Zürichsee, Walensee und Bodensee nur etwa halb so viel Regen wie üblich.

Oder anders formuliert: Es ist das zweittrockenste Jahr seit 1864. Nur 1947 war die Regenarmut noch grösser! «Über die letzten sieben Monate hinweg fehlen die Regensummen von drei bis vier Monaten», erklärt Stephan Bader, Klimaspezialist von MeteoSchweiz.

Der Rheinfall ist ein Schatten seiner selbst

Die Auswirkungen davon sind überall zu sehen: Der mächtige Rheinfall ist zu einem Rinnsal verkommen. Und weil über drei Tonnen tote Äschen und Forellen aus dem Fluss gezogen wurden, erliessen die Kantone Thurgau, Schaffhausen und Zürich ein mindestens einjähriges Fangverbot im Rhein.

Wie brutal die Trockenheit einzelne Gegenden heimsucht, zeigt nur schon die Messstation in Weesen SG: In der Walensee-Gemeinde wurden seit Frühling gerade einmal 480 mm Regen registriert.

Der Dürre-Hotspot liegt im Linthgebiet

Das mag im Vergleich mit anderen Stationen in traditionell regenarmen Regionen wie dem Wallis nach viel klingen, aber so trocken war es hier seit Messbeginn anno 1888 noch nie! 

Experte Bader spricht im Fall von Weesen deshalb von einem «gigantischen Manko». Zwischen April und Oktober ist nur etwas mehr als ein Drittel des sonst üblichen Niederschlags (1120 mm) gefallen.

Die Jahrhundertdürre findet ihre grössten Verlierer in der Landwirtschaft. BLICK berichtete schon im Sommer über das Schicksal von Köbi Büsser (55) aus Amden SG, nur einen Katzensprung von Weesen entfernt.

Am ärgsten trifft es die Bauern

Büsser musste seine Kuhherde auf der Alp mit Milchkannen voller Wasser aus dem Tal durch den Sommer bringen. Weil die eigene Quelle versiegt war und wegen der Hitze kein Gras mehr wachsen konnte.

Wegen der knappen Versorgungslage musste er schon nach dem vorzeitigen Alpabzug drei Kühe verkaufen. «Weil viele andere Bauern in der gleichen Lage waren, sind die Preise im Keller», erzählt Büsser. Um sicher durchzukommen, wird er sich jetzt, wo der Winter naht, nochmals von zwei oder drei Tieren trennen müssen. 

Das ist immer noch die bessere Option als Futter zuzukaufen, damit es durch den Winter reicht. Im Linthgebiet musste dies mehr als jeder dritte Bauer tun. Teils wird das Heu gar aus dem Ausland angekarrt. «Noch so ein Jahr können wir Bauern kaum überleben», sagt Büsser.

«Die Wiesen sind verbrannt!»

Martin Müller (56) aus Schmerikon SG am Zürichsee leidet ebenfalls: «Meine Wiesen in Hanglage sind richtiggehend verbrannt!»

Weil er von eigenen Vorräten zehren konnte und vier Kühe vorzeitig schlachten liess, kam der Landwirt bisher gut durch. Ein Versuch, Grasland neu anzusäen, schlug hingegen fehl – zu trocken. Nur Hirse wächst. Aber das fressen die Kühe nicht.

«Deshalb will ich mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn dieses Klima zur Regel werden würde. Dann ginge es ans Lebendige», so Müller. Noch rund drei Wochen, hofft er, können die Kühe dank des besseren Wetters draussen frisches Gras fressen. Damit es sicher reicht, müssen wohl nochmals drei Tiere über die Klinge springen.

Reduktion der Bestände ist zu erwarten

Dann werde Bilanz gezogen, sagt auch Andreas Widmer, Geschäftsführer beim St. Galler Bauernverband: «Wir erwarten eine Reduktion der Tierbestände von bis zu 20 Prozent!»

Es bleibt nur die Hoffnung, dass das nächste Jahr wieder besser wird. Die Chancen stehen gut, meint Klimaspezialist Bader: «Eine Zunahme von ungewöhnlich regenarmen April–Oktober-Perioden ist in den Messreihen nicht zu beobachten.»

Aber was, wenn doch? Dann dürfte die Dürre-Krise weit über die Landwirtschaft hinaus gehen. Zu den Konsumenten, zu uns allen. Denn es scheint fraglich, ob sich die zu niedrigen Grundwasserstände bis dahin erholen werden.

Gletscher-Initiative auf Kurs

Der heisse und trockene Sommer sensibilisierte die Schweizerinnen und Schweizer für den Klimawandel. Das freut den Verein Klimaschutz Schweiz. Er will die Gletscher-Initiative lancieren, die vorsieht, die Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle bis 2050 zu verbieten. Nur so sei es möglich, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Seit Gründung des Vereins am 25. August konnte der Verein rund 1800 Mitglieder gewinnen. «Wir erhalten viel Zuspruch aus der Bevölkerung», sagt Geschäftsführerin Sophie Fürst (34).

Ob die Initiative tatsächlich lanciert wird, entscheidet der Verein im Januar. Bis dahin wollen die Klimaschützer ihr Netzwerk weiter ausbauen und am definitiven Initiativtext arbeiten: «Unsere Mitglieder sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Vorschläge einzubringen», so Fürst.

Der heisse und trockene Sommer sensibilisierte die Schweizerinnen und Schweizer für den Klimawandel. Das freut den Verein Klimaschutz Schweiz. Er will die Gletscher-Initiative lancieren, die vorsieht, die Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle bis 2050 zu verbieten. Nur so sei es möglich, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Seit Gründung des Vereins am 25. August konnte der Verein rund 1800 Mitglieder gewinnen. «Wir erhalten viel Zuspruch aus der Bevölkerung», sagt Geschäftsführerin Sophie Fürst (34).

Ob die Initiative tatsächlich lanciert wird, entscheidet der Verein im Januar. Bis dahin wollen die Klimaschützer ihr Netzwerk weiter ausbauen und am definitiven Initiativtext arbeiten: «Unsere Mitglieder sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Vorschläge einzubringen», so Fürst.

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