Auf einen Blick
- Taxifahrer Besnik Ziba (49) ist auch an Heiligabend unterwegs
- Dieses Jahr lässt er Blick-Reporterin Helena Graf (26) mitfahren
- Was die beiden erleben, lesen Sie am 24. Dezember ab 15 Uhr im Taxi-Ticker
Besinnliche Stunden weichen der Weihnachts-Fete – und wir verabschieden uns
Zum Schluss nimmt mich Ziba mit in die St. Galler «Südbar». Die Bartender tragen Weihnachtsmützen, das Lokal ist rappelvoll. Ziba wird schon am Eingang herzlich begrüsst.
Marc hält mir eine kleine Weihnachtsmütze unter die Nase. «Riecht nach Trüffel», sage ich. An Marcs Gesicht lese ich ab, dass er auf diese Antwort gehofft hat. «Sogar weisser Alba-Trüffel», schwärmt er und wickelt die Delikatesse aus dem Stoff der Weihnachtsmütze. «Dazu gab es Wagyu-Filet!»
Okay, Marc, du hast mich eifersüchtig gemacht. Auf Raclette kann ich verzichten. Aber Filet mit Trüffelsauce? Ein bisschen Dekadenz schätze ich schon.
Ziba trommelt seine Freunde zusammen. Ich mache ein Abschlussfoto. Mich überkommt eine Dankbarkeit. Dass ich für ein paar Stunden Teil dieser Welt sein durfte. Dem Mikrokosmos in Zibas Taxi. Und dass ich seine Gäste kennenlernen durfte: Menschen, die uns in ihr Wohnzimmer eingeladen, die Intimität dieses Abends mit uns geteilt haben.
Liebe Leserinnen und Leser, an dieser Stelle verabschieden wir uns von Ihnen. Ziba und ich – wir wünschen Ihnen von Herzen frohe Festtage!
«Feiere jetzt mit den Kollegen weiter»
Daniel steigt ein, mit zwei Dosen Schützengarten-Bier in der Hand. «Wie gehts dir Ziba?», fragt er. «Wenn ich dich sehe, scheisse», antwortet Ziba. Beide lachen.
«Ich fahre zu meinen Kollegen, feiere dort weiter», erzählt Daniel. «Aber nicht zu lange, morgen um 11 Uhr muss ich wieder auf der Matte stehen, zum Weihnachtsbrunch.»
In den letzten Jahren habe Ziba ihn immer an Weihnachten abgeholt. «Letztes Jahr hat meine Mutter ihn sogar hereingebeten und Kuchen und Kaffee serviert.»
In der St. Galler Innenstadt verabschiedet sich Daniel: «Bis morgen Ziba, dann brauche ich dich wieder.»
Ziba in Fahrt – mein Magen rebelliert
Familie Köchling haben wir abgeladen. Wir bleiben im Appenzell, fahren nach Heiden. Die Strassen sind kurvig, mein Magen rebelliert. Am Bildschirm im Auto – für mich seit je her eine riskante Kombination. Und das halbe Kilo Schokolade, das ich heute Abend verdrückt habe, hilft nicht...
«Schön, dass wieder alle zusammen sind»
Wir holen Familie Köchling ab. «Mit Ziba sind wir schon letztes Jahr gefahren», erzählen sie. Weihnachtsguetzli gefällig? «Nein! Wir haben ein Dreigang-Menü hinter uns. Zum Hauptgang gab es Knöpfli, Brokkoli, Rahmgeschnetzeltes», erzählt Oma Köchling.
Ihre Tochter ist mit dem Mann aus Hamburg angereist. «Es ist schön, dass wieder alle zusammen sind», sagt sie.
Jetzt laufen die Leitungen heiss
Das besinnliche Weihnachtsfest neigt sich dem Ende zu – und bei Familie Ziba laufen die Leitungen heiss. Wir fahren nach Teufen AR, um eine Familie abzuholen.
Ständig rufen neue Leute an, die ein Taxi brauchen. Ziba im Weihnachtsstress. «Hilfe! Ich kann nicht alle gleichzeitig abholen!»
Festmahl-Ranking: Fondue führt!
Seit über 6 Stunden sind Ziba und ich mittlerweile unterwegs. Ich habe alle Gäste gefragt, was sie heute zu Abend essen. Die häufigste Aussage bislang: Fondue!
Dagegen kommt mir unser Abendessen im Taxi gar nicht mal so schlecht vor: Schoggi und Guetzli schlagen den stinkigen Käse um Längen.
«Einmal ging Ziba der Most aus...»
Wir besuchen Christian, mittlerweile ein enger Freund von Besnik Ziba. Seine Frau bringt uns einen Kaffee, die Kinder sind mit den neuen Spielsachen beschäftigt.
Christian ist in Redelaune: «Ich erinnere mich noch, wie Ziba uns früher zu den Fussballspielen gefahren hat. Damals hatte er ein Mini-Büssli mit einer Festbank hinten drin. Darauf sassen wir – schon ein bisschen kriminell.»
Mittlerweile gehört ein richtiger Car zu Zibas Flotte. Vor wenigen Jahren, erzählt Christian, seien sie damit von einem Auswärtsspiel zurück nach St. Gallen gefahren. «Es war unter der Woche und mitten in der Nacht. Ziba bestand darauf, uns alle einzeln nach Hause zu fahren. Plötzlich ging dem Car der Most aus, er blieb direkt nach einem Tunnelausgang auf der Strasse stehen.»
Ziba fügt an: «Ich schwöre, die Anzeige war falsch! Sonst wäre mir das nie passiert!»
Zum Glück sei Zibas Garage nur noch einige hundert Meter entfernt gewesen. Christian erinnert sich: «Wir haben den Car also gestossen.»
Ziba findet «Fragen zum Verlieben» doof
Weiter geht es mit dem Fragebogen. Meine Zwischenanalyse: Die Fragen sind nicht auf Zibas Typ Mensch zugeschnitten. Zu kompliziert, zu fern vom Alltäglichen, das dem Taxifahrer so wichtig ist.
Eigentlich, denke ich, findet er die Fragen richtig doof. Etwas widerwillig antwortet er trotzdem.
7. Wofür in deinem Leben bist Du am dankbarsten?
«Dafür, dass ich mein Glück hier in der Schweiz finden durfte.»
8. Wenn Du irgendetwas an der Art und Weise, wie Du erzogen wurdest, ändern könntest, was wäre das?
«Mein Vater war recht streng. Aber es waren andere Zeiten und dort, wo ich aufgewachsen bin, im Kosovo, war es auch anders. Ich kann nicht sagen, ob ich etwas ändern wollen würde.»
9. Wenn Du morgen mit irgendeiner neuen Eigenschaft oder Fähigkeit aufwachen könntest, welche wäre es?
«Ich bin froh um das, was ich habe und kann. Ich muss nicht jemand Spezielles sein.»
Ugly Christmas-Suit: Dominik Zulian (31) posiert als Christbaum!
Wenn ich schon mal in St. Gallen bin, muss ich unserem Ostschweiz-Reporter Sandro Zulian (34) Hallo sagen. Auch er kennt Ziba schon lange.
Der Duft im Hause Zulian: käsig. «Wir haben gerade Raclette gegessen», sagt Sandro. Sein Vater bietet uns ein Tiramisu an. Sein Bruder Dominik (31) hat mein weihnachtliches Outfit, also meine leuchtende Mütze, um Meilen übertroffen: Er trägt einen Christbaum-Anzug, ebenfalls mit Beleuchtung. «Der hat mich ein Stange Geld gekostet», sagt Dominik.
Die «Stange Geld» solle ich unbedingt in diesem Ticker erwähnen, sagt er nachdrücklich. Offenbar ein Zulian-Insider. Hiermit erfülle ich seinen Wunsch – schliesslich ist Weihnachten.
«Mein Onkel ist vor 3 Tagen gestorben»
Ziba nimmt mich auf eine Spritztour durch die Altstadt von St. Gallen. Die Strassen sind beleuchtet und menschenleer. Alle paar Strassen hat eine Bar oder ein Restaurant geöffnet.
Solche ruhigen, einsamen Stunden erlebt Besnik Ziba selten. «Ich bin so nah dran an meinen Fahrgästen. An Weihnachten sind die Menschen emotionaler – ich auch», sagt er.
Er versuche, jeden Moment zu geniessen und wertzuschätzen. «Mein Onkel ist vor 3 Tagen gestorben», erzählt er mir. «Weisst du Helena, es ist so schnell vorbei.»
Mit geröteten Backen einen Glühwein schlürfen, dem Flackern der Kerzen am Weihnachtsbaum zuschauen und Kinderchören beim Trällern zuhören – so stellt man sich Heiligabend vor. Die Besinnlichkeit des Festes ist Taxifahrer Besnik Ziba (49) nicht vergönnt. Er braust in diesen Stunden durch die Ostschweiz, bringt gestresste Eltern vom Weihnachtseinkauf nach Hause, führt Verwandte zusammen, leistet den Einsamen Gesellschaft.
«Frohe Weihnacht bedeutet für mich, unter Leuten zu sein», sagt Ziba. «Ich arbeite deshalb gerne an Heiligabend!»
«Habe meine Gäste aufwachsen sehen»
Ob gerne oder nicht – dieses Jahr teile ich sein Schicksal. Statt mit meinem Mann bei den Schwiegereltern ein Festmahl zu geniessen, begleite ich Besnik Ziba auf seiner Weihnachtstour.
Immerhin habe ich mit ihm das grosse Los gezogen: Seit 18 Jahren macht Besnik Ziba mit seinem «Ziba-Taxi» die Strassen von St. Gallen (un)sicher. Mittlerweile ist er ein Stadt-Original. «Manche meiner Gäste habe ich regelrecht aufwachsen sehen. Früher brachte ich sie vom Suff nach Hause, heute fahre ich sie mit Frau und Kindern an den Flughafen», sagt er.
Seine Fahrgäste erzählen Ziba aus ihrem Leben: witzige Anekdoten aus der Jugend, Geschichten von Liebe und Leid.
Benötigen Sie ein Taxi?
An Heiligabend werde ich euch, liebe Leserinnen und Leser, diese Geschichten übermitteln. In unserem Taxi-Ticker lest ihr live mit, was unsere Fahrgäste beschäftigt: ihre Wünsche und Träume, Ängste und Meinungen. Und ihr lernt Ziba kennen, der gerne seinen Senf dazugibt.
Falls ihr selbst in der Ostschweiz seid und ein Taxi benötigt – fahrt doch bei uns mit!
Den Taxi-Ticker findet ihr am 24. Dezember ab 15 Uhr auf Blick.ch. Ziba erhofft sich vor allem eins: «Eine saulustige Zeit!»