Walter Bösch (76) ist sauer. Obwohl die Stadt St. Gallen den Hausbesitzer im Oberhofstetten-Quartier zum Bau einer Gartenmauer aufforderte, muss er diese nun wieder abreissen. Der Grund: Die Mauer hätte bewilligt werden müssen – obwohl Bösch von Seiten der Stadt für den Bau grünes Licht erhielt (BLICK berichtete).
Stadtrat und Baudirektor Markus Buschor (60) begründete den Entscheid damit, dass die Mauer nicht den Vorgaben entspreche. Denn bei den Untersuchungen sei klar geworden, dass die Mauer rund 10 Zentimeter zu hoch sei.
Plötzlich eine Stützmauer
Die Mauer einfach in der Höhe zu reduzieren, geht allerdings nicht. Der Grund dafür liegt in den Tiefen der Gesetzbücher. Denn Bösch hat sich rechtlich vertan. «Damit die Mauer wieder schöner aussieht, habe ich nach dem Bau hinter der Mauer Erde aufschütten und mit Pflanzen ansehnlicher gestalten lassen», sagt der Senior. Eine Aktion mit Folgen.
Durch die Aufschüttung und die Begrünung gilt die Steinmauer nicht mehr als reine Begrenzung. Stattdessen wird sie nun als «Stützmauer» angesehen. Und diese müssen gemäss Baurecht einen halben Meter Abstand zum Strassenrand einhalten – Böschs Mauer hat einen Abstand von rund 10 Zentimetern, hält die Rekurskommission der Stadt St. Gallen fest.
«Das ist doch ‹bireweich›», meint Bösch entrüstet. «Erst heissts, die Mauer sei zu hoch, dann solls plötzlich eine Stützmauer sein. Ich wollte einfach nur die Mauer schön gestalten. Das heisst aber noch lange nicht, dass sie eine Stützfunktion wahrnimmt!»
«Es ist nichts abgerutscht»
Ein externes Gutachten, welches BLICK vorliegt, attestiert der Mauer «keine oder nur eine sehr geringfügige Stützfunktion». Konkret heisst es: «Die Mauer (...) kann in der besichtigten Ausführung keine Stützfunktion eines dahinterliegenden Geländes übernehmen.»
Bösch legt dieses der Verwaltung vor. Die Behörden ihrerseits verlangen, dass der Senior die Aufschüttung entfernt. Stadtrat und Baudirektor Markus Buschor (60) hält fest: «Die Verwaltung hat das Gespräch mit Herrn Bösch gesucht und ihm erklärt, dass die Aufschüttung die Sachlage verändert.» Der Anwohner habe die Möglichkeit bekommen, die Aufschüttung zu entfernen.
Begründung unter anderem mit Wikipedia
Bösch will das nicht akzeptieren, zieht weiter vor den Kanton. «Die Mauer nimmt keine Stützfunktion wahr, sie ist nicht einmal im Boden verankert», meint er.
Die kantonalen Behörden schmettern seinen Rekurs ab. Es handle sich um ein «Bauwerk, das regelmässig zur Sicherung von Einschnitts- und Dammböschungen dient», schreibt der Kanton im Urteil. Gestützt ist die Definition unter anderem auf einen Wikipedia-Artikel.
«Das war der Gipfel für mich. Ich habe selbst im Bauwesen gearbeitet und kenne mich daher aus. Dass nun Wikipedia-Artikel, die nicht mal in den Schulen als sichere Quellen benutzt werden dürfen, in rechtlichen Urteilen auftauchen, ist für mich unbegreiflich», sagt Bösch.
Stadt kann nichts mehr machen
Stadtrat Markus Buschor hat zwischenzeitlich das Gespräch mit Walter Bösch gesucht: «Ich kann den Frust der Familie nachvollziehen, aber die Bauordnung gilt nun mal für alle», sagt Buschor zu BLICK.
Weil der Fall inzwischen von der kantonalen Rekurskommission beurteilt wurde, seien ihm die Hände gebunden: «Im vorliegenden Fall gibt es mittlerweile ein Urteil einer höheren Instanz. Darum können wir nichts mehr tun.»
Abriss ist unumgänglich
Bösch hätte den Fall ans Verwaltungsgericht weiterziehen können. Doch das ist ihm zu teuer. Als Beweis, dass die Mauer keine Stützfunktion wahrnimmt, lässt der Senior die Bepflanzung und die Erde entfernen. Doch dafür ist es nun zu spät: Die Rekursfrist ist verstrichen. Und die Mauer muss weg.
Das Baudepartement des Kantons St. Gallen meint: «Von unserer Seite besteht keine Möglichkeit, in der Sache noch eine gütliche Einigung herbeizuführen. Der Rekurrent hat das Verfahren nicht an die nächste Instanz weitergezogen. Es gibt nun keine Rechtsmittel mehr.»
Heisst: Walter Bösch muss seine Mauer abreissen lassen. Endgültig.