Lange sitzt Heiri F.* (22) im Gerichtssaal von Flawil SG gelassen da. Erst beim Schlusswort schiessen dem gelernten Landwirt mit kräftiger Statur die Tränen in die Augen: «Ich möchte mich entschuldigen. Ich habe einen riesigen Fehler begangen, das sehe ich ein.»
Heiri F. hat ein Menschenleben auf dem Gewissen. Zum Drama kommt es am 8. Januar 2018 am Ortsrand von Jonschwil SG: Der Schweizer ist auf dem Heimweg von einem Feierabendbier, das er als Junglenker mit dem Ausweis zur Probe gar nicht hätte trinken dürfen.
Der damals 20-Jährige hat nicht nur zwischen 0,3 und 0,87 Promille Alkohol intus, als er sich hinters Steuer setzt, er ist innerorts auch viel zu schnell unterwegs. Ein Expertengutachten ermittelt später eine Geschwindigkeit zwischen 81 und 87 km/h.
Rita M. flog 45 Meter weit
Heiri F. kommt mit seinem Seat Leon Cupra 2.0 in der Strassenmitte auf die Kreuzung zugeschossen. Dass dort die Produktionsmitarbeiterin Rita M.** (†50) gerade die Strasse überquert, übersieht er glatt. Weil F. am Strassenrand das Auto eines Kollegen erblickt. «Ich habe im falschen Moment an den falschen Ort geschaut», beteuert F. Darauf kracht der Seat ungebremst in die Fussgängerin.
Rita M. wird frontal erfasst, fliegt über die Frontscheibe des Seat hinweg und schlägt nach 45 Metern auf. Die vierfache Mutter erleidet eine Durchtrennung der Wirbelsäule und einen vollständigen Abriss der Hauptschlagader. Sie stirbt noch auf der Unfallstelle.
Ihr türkischer Gatte Mehmet M.** (50) wartet derweil daheim vergeblich auf seine Frau: «Plötzlich standen zwei Polizisten vor der Tür. Sie sagten mir, Rita habe einen Unfall gehabt und es leider nicht überlebt.»
Der Ehemann der Verstorbenen leidet bis heute
Seine Rita nie mehr in den Arm nehmen zu können, sie nie mehr bei sich haben zu können, zieht ihm den Boden unter den Füssen weg. 2009 hatten sich die beiden in der Türkei kennengelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Mehmet war als Reiseleiter für die geschiedene Touristin Rita zuständig. Im Jahr darauf heirateten die beiden.
Zunächst wohnt das Paar an der Ägäis, zieht dann nach Uzwil SG. Rita arbeitet in der Fondue-Produktion, er schmeisst den Haushalt. Sie sind viel draussen, geniessen ihr Leben in vollen Zügen.
Bis zur Todesfahrt von Heiri F. vor zwei Jahren. Am Prozess sagt Mehmet M. diesem direkt nun direkt ins Gesicht: «Du hast unser Leben zerstört!»
«Sie sind ein hundsmiserabler Autofahrer!»
Bereits 2015 baut der Landwirt mit einem Traktor einen Unfall, weshalb er seinen Ausweis abgeben muss. Diesen erhält er erst im November 2017 zurück. Tags darauf wird F. in Ricken SG innerorts mit 69 km/h geblitzt.
Den Strafbefehl dafür erhält er erst vier Tage vor dem tödlichen Crash mit Rita M., Lehren zieht er offensichtlich keine. «Sind Sie ein Strassenrowdy?», will Richter Daniel Weniger von Heiri F. wissen.
«Das würde ich so nicht sagen!», entgegnet dieser. Er fahre gut, wenn man von dem tödlichen «Fehler» absehe. Für diesen wird Heiri F. nun wegen fahrlässiger Tötung, grober Verkehrsregelverletzung und Fahrens unter Alkoholeinfluss zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 27 Monaten verurteilt.
Acht Monate davon soll F. im Gefängnis absitzen. In der Urteilsverkündung findet der Richter klare Worte: «Sie sind ein hundsmiserabler Autofahrer. Sie haben es einfach nicht im Griff!»
* Name geändert
** Name bekannt