Für eine verhängnisvolle Affäre fährt Ärztin Francesca L.* (32) am 11. August 2015 von Como (I) ins Zentrum der Stadt St. Gallen. Die verheiratete Italienerin pflegt damals eine Sex-Liaison mit dem ebenfalls verheirateten Arzt René F.* (55). Kennengelernt hatten sich die beiden in einer Tessiner Klinik.
Doch: Gefühle sind nicht im Spiel, es geht vielmehr um Gewaltpraktiken und Fesselspiele. Um kurz nach 18 Uhr kommt die Italienerin an – sechs Stunden später ist sie tot.
Führten brutale Sex-Praktiken zum Tod?
Nun, fünf Jahre später, sitzt ihr Berufskollege auf der Anklagebank des Kreisgerichts St. Gallen und beteuert: «Ich habe mit dem Ableben von ihr nichts zu tun!» Trotzdem muss sich der Arzt wegen fahrlässiger Tötung und Unterlassen der Nothilfe verantworten.
Das tragische Ende von L. wirft Fragen auf. Die wichtigste: Hat René F. mit brutalen Sexpraktiken den Tod der Italienerin verursacht? «Wir hatten einvernehmlichen Sex in verschiedenen Stellungen. Es war nie aggressiv oder gewalttätig», so der Mediziner.
Affäre hing regungslos über dem Balkongeländer
L. habe in den Sexpausen zwischenzeitlich Nachrichten an ihren Ehemann geschickt und sogar mit diesem telefoniert. Irgendwann nach dem Sex, so der Arzt in seiner Erinnerung, sei er schliesslich eingedöst.
Wenig später habe er seine Affäre regungslos über dem Balkongeländer hängend aufgefunden und ihren leblosen Körper ins Wohnzimmer getragen. «Sie hatte Schaum vor dem Mund, violette Lippen und ausgetrocknete Augen. Es war klar, dass sie tot war, weswegen ich sie nicht reanimiert habe», so René F.
Das Problem: Die Gerichtsmedizin konnte nicht feststellen, woran die Frau genau verstorben ist. «Denkbar ist vieles. Es gibt keine Hinweise auf ein Fremdeinwirken», sagt der Experte Stefan Pollak.
Sexutensilien wurden vom Arzt versteckt
Francesca L. galt als magersüchtig, als sie sich in einer heissen Sommernacht mit F. traf. Sie könnte zu wenig Wasser getrunken und nach dem Brutalo-Sex kollabiert sein, so eine Theorie. Dagegen spricht die geschilderte Auffindesituation, die sich auch mit Computermodellen nicht plausibel erklären liess.
Auch liess René F. Sexspielzeuge (darunter ein Nylonband) noch vor dem Eintreffen der Polizei verschwinden – ausserdem wusch er die beiden Champagnergläser ab.
Richterin auf Seite des Angeklagten
Weiter wies die Leiche von Francesca L. mehrere Hämatome auf – ferner wurde im Blut die Droge GHB (sogenannte «K.O.-Tropfen») nachgewiesen. René F. wehrt sich: «Ich muss jemanden, der 300 Kilometer mit dem Auto zu mir gefahren ist, nicht gefügig machen.»
Ähnlich sieht es Einzelrichterin Sabrina Häberli und spricht den Beschuldigten letztlich von Schuld und Strafe frei: «Die sexuelle Beziehung war jederzeit einvernehmlich. Es wurden diverse Sachverhaltsversionen aufgezeigt, aber jene des Beschuldigten ist für mich die plausibelste.» Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass F. für den Tod von Francesca L. verantwortlich sei.
*Name geändert