Stolz ragt sie in den Himmel. Mindestens zwölf Meter hoch ist die Weisstanne im Garten von Alfred Knaus (71) in Schleitheim SH. Seit 42 Jahren steht sie da. Von den Vorbesitzern wurde sie damals nahe der Grenze zum Nachbargrundstück gepflanzt.
Doch nun scheinen die Tage des Nadelbaumes gezählt. So will es zumindest ein Urteil des Kantonsgerichts Schaffhausen. «Mein Nachbar hat die Erlaubnis bekommen, die Tanne auf meine Kosten fällen zu lassen», sagt Alfred Knaus.
Tannenbesitzer zieht vor Obergericht
Der Rentner fügt an: «Wenn ich den Entscheid weiterziehe, was ich tun werde, kosten mich die Anwalts- und Gerichtskosten rund 20'000 Franken. Für einen Baum, der mir gehört. Das ist doch alles verrückt!»
Das Problem: Über die Jahrzehnte hat sich die Tanne in den Nachbargarten vorgearbeitet. So befinden sich heute nur noch rund 90 Prozent von ihr auf Knaus’ Boden, rund zehn Prozent aber ennet des kleinen Grenzzauns.
Doch die Nachbarn, die wie Knaus nicht auf dem ihnen gehörenden Grundstück leben, haben die Nase vom wuchtigen Schattenspender offenbar voll. Angeblich ärgern sie sich über dessen Nadeln und sollen mit dem Gedanken spielen, einen Sitzplatz zu bauen.
«Erwähnen Sie, dass wir gewonnen haben!»
Auf Anfrage von BLICK wollen die Grundstücksbesitzer den Tannenzoff nicht kommentieren. «Solange der Fall nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, sagen wir nichts», sagt die Frau des Besitzerpaares. «Aber erwähnen Sie bitte ruhig, dass wir vor Gericht gewonnen haben!»
Genau dieser Umstand bringt Alfred Knaus auf die Palme. «Das ist natürlich äusserst frustrierend und lässt mich am Rechtsstaat zweifeln», sagt der pensionierte Drogist.
Laut ihm habe es zwischen den beiden Streithähnen auch kein richtiges oder gar klärendes Gespräch gegeben, ehe die Klage eingereicht wurde. Und nun würden ihm die Prozesskosten die Ersparnisse für seine Pension wegfressen. Und das, obwohl es sich um ein krasses Fehlurteil handle.
Die Verjährungsfristen, um den Baum zu beseitigen, seien schon längst abgelaufen, kritisiert der gebürtige Zürcher das erstinstanzliche Urteil. Gleichzeitig solle er die gesamten Fällkosten tragen, obwohl der Baum auch teilweise auf dem Nachbargrundstück stehe.
Gericht sah Grundrechte durch Tanne verletzt
Das Kantonsgericht Schaffhausen lässt Knaus' Argumente, wonach es sich bei der Tanne um einen Sichtschutz, ein schönes Stück Natur und ein Daheim für Vögel handelt, nicht gelten. «Anders zu entscheiden, würde bedeuten, dass sich die Kläger (...) weiterhin einen Eingriff in ihre Grundrechte gefallen lassen müssten, was nicht angehen kann», urteilt das Schaffhauser Kantonsgericht.
Alfred Knaus denkt dennoch nicht ans Aufgeben: «Ich würde ja nichts sagen, wenn die Tanne krank wäre. Aber sie ist gesund, hier fest verwurzelt und hat jahrzehntelang niemanden gestört. Es geht mir bei meinem Kampf jetzt auch einfach ums Prinzip!»