Osterglocken-Zauber am Mont Soleil
Diese Jura-Wanderung weckt Frühlingsgefühle

Gelb, so weit das Auge reicht, gemütliche Wege und Natur pur: Am Mont Soleil warten nicht nur Windräder, sondern auch ein echtes Blumenspektakel.
Publiziert: 12.04.2025 um 15:25 Uhr
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Aktualisiert: 12.04.2025 um 20:09 Uhr
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Wacht über die Blumen: Biologin Isaline Mercerat.
Foto: Kim Niederhauser

Darum gehts

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Lino SchaerenRedaktor

Berühmt ist der Mont Soleil für seine Windräder. Schliesslich steht hier der grösste Windpark der Schweiz. Einmal im Jahr gibt es hier aber einen anderen Star, der stolz den Kopf in die Höhe reckt: die Osterglocke. Im Frühjahr legt sich ein Zauber über die Weiden im Berner Jura. Ein Blütenzauber. Abertausende der Frühlingsboten überziehen die Wiesen, es leuchtet Gelb, soweit das Auge sieht.

Das Spektakel dauert nur zwei, vielleicht drei Wochen und zieht an einigen Orten derart viel Publikum an, dass sich ein Besuch am Wochenende kaum empfiehlt. In Les Près-d’Orvin beispielsweise, das besonders bekannt ist für die wilden Osterglocken, muss an einzelnen Wochenenden wegen des Andrangs schon mal die Zufahrtsstrasse gesperrt werden.

Nicht so am Mont Soleil. Die weitläufige Ebene auf rund 1300 Metern über dem Meer ist mit der Standseilbahn ab St-Imier in nur vier Minuten bequem mit dem öffentlichen Verkehr zu erreichen. Eine gemütliche Wanderung entlang der Blumenwiesen ist hier ohne Blechlawine problemlos möglich – und besonders für Familien geeignet, führt die Route doch über befestigte Wege und über wenige Höhenmeter. Dass die Osterglocken dieses Jahr pünktlich zu Ostern in voller Blütenpracht stehen, ist ein besonderer Bonus.

Vom Mont Soleil auf den Mont Crosin
  • Wanderung auf dem gut ausgeschilderten Sentier des Monts vom Mont Soleil auf den Mont Crosin; Start bei der Bergstation der Standseilbahn auf dem Mont Soleil; Ziel bei der Busstation Le Sergent auf dem Mont Crosin
  • Distanz: 6 Kilometer
  • Höhenmeter: 161 m aufwärts, 155 m abwärts
  • Dauer: reine Wanderzeit 1 Std. 30 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: sehr einfach, befestigte Wege, familienfreundlich und kinderwagentauglich
  • Wanderung auf dem gut ausgeschilderten Sentier des Monts vom Mont Soleil auf den Mont Crosin; Start bei der Bergstation der Standseilbahn auf dem Mont Soleil; Ziel bei der Busstation Le Sergent auf dem Mont Crosin
  • Distanz: 6 Kilometer
  • Höhenmeter: 161 m aufwärts, 155 m abwärts
  • Dauer: reine Wanderzeit 1 Std. 30 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: sehr einfach, befestigte Wege, familienfreundlich und kinderwagentauglich

Die Genusswanderung führt vom Mont Soleil über rund sechs Kilometer auf den Mont Crosin, wo regelmässig ein Bus zurück nach St-Imier fährt. Unterwegs gibt es Picknickmöglichkeiten, offizielle Feuerstellen und jede Menge Sitzbänke zum Verweilen.

Die Osterglocke ist hier heimisch

Die Route beginnt auf dem Mont Soleil bei der Bergstation des Funiculaire. Das ersehnte Blumenmeer muss aber noch rund 15 Gehminuten erduldet werden. Der Grund sei, dass die Osterglocken auf eine auf Biodiversität ausgerichtete Landwirtschaft angewiesen seien, erklärt Isaline Mercerat (37), Biologin beim regionalen Naturpark Chasseral, die durch «ihr» Streifgebiet führt.

Die nahrhafteste Steigung steht gleich zu Beginn der Tour an. Sie führt hoch zum Solarpark und zur Sternwarte. Dann sind sie nicht mehr zu übersehen, die Osterglocken, die büschelweise in den Wiesen stehen, fast so, als hätte sie jemand dorthin gepflanzt.

Doch die Blume ist hier heimisch. Sie gedeiht auf den mit Kalkstein durchzogenen Magerwiesen und Weiden prächtig. «Die Artenvielfalt ist hier atemberaubend», sagt Isaline Mercerat. Auf wenige Quadratmeter kommen bis zu 40 Pflanzenarten, von diesen angelockt zudem viele verschiedene Insekten.

Besonders schön zeigt sich die Vielfalt am Waldrand, unter den alten, knorrigen Buchen. Es lohnt sich beim Gang über die weite Ebene, den Blick von den Blumenfeldern abzuwenden und dem Boden zwischen den Wurzeln Aufmerksamkeit zu schenken. Hier gedeihen nicht nur die Osterglocken besonders schön.

Neben ihnen spriessen Dutzende Krokusse, bei gutem Hinsehen finden sich junge Brennnesseln, die, richtig geerntet, keinen Anlass zur Klage geben und wunderbar aromatisch schmecken. Auch die Wiesenschafgarbe schmeckt hervorragend. Sie wurde angeblich bereits im 1. Jahrhundert als Heilpflanze geschätzt.

Fotografieren statt pflücken

Die Osterglocken hingegen sind für den Menschen giftig. Pflücken dürfe man sie trotzdem. Die Blumen zu schneiden, um sie zu Hause auf den Küchentisch zu stellen, ist denn auch beliebt.

Die Biologin hebt allerdings den Mahnfinger: Erlaubt ist nur ein Sträusschen pro Person, das in eine Hand passt. Das Ausgraben der Pflanzen mitsamt Zwiebeln, um sie zu Hause zu pflanzen, ist verboten. Letzteres würde auch wenig bringen, erklärt Mercerat, «die Pflanze ist sich an den mageren Juraboden gewöhnt und würde nicht überleben.» Der Naturpark empfehle deshalb allen Besuchenden, die Blumen zu fotografieren, statt sie zu pflücken, «damit man sich noch viele Jahre am Blumenmeer erfreuen kann», sagt Mercerat.

Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Besucher mit den schönen Blüten vor Augen das Mass verlieren. Am besten ist es, die Blumen am Wegrand zu pflücken, möglichst gegen Ende der Wanderung, und die Weiden der Landwirte gar nicht erst zu betreten. Denn dort könnten nicht nur Blumen versehentlich zertrampelt, sondern auch ein seltener Zeitgenosse gestört werden: Auf den Wiesen im Jura brütet derzeit die Heidelerche, deren lieblicher Gesang an vielen Orten bereits verstummt ist.

Vorbei am Kulturerbe des Juras

Je näher der Mont Crosin und damit der Zielort des Ausflugs kommt, desto mehr geht es leicht bergab. Der Feldweg führt jetzt vorbei an alten, für den Berner Jura charakteristischen Trockensteinmauern. Sie dienten einst zur Abgrenzung der Grundstücke und als Weidezäune, mehrere Hundert Kilometer ziehen sich durch den Parc Chasseral, in dem sich der Mont Soleil befindet. Die Trockensteinmauern gehören zum Kulturerbe der Region, sorgfältig gebaut, überdauern sie mühelos ein Jahrhundert – und das ohne eine einzige Kelle Mörtel.

Für diese historische Baukunst hat auch die Vierergruppe, die aus der Gegenrichtung kommt, anerkennende Blicke übrig. Daniel und Susanne Kurt sowie Heidi Hofmann und Peter Marti sind aus dem Raum Solothurn gekommen, wegen der Osterglocken natürlich. Sie kämen für das Spektakel immer wieder gerne, erzählen die vier, dieses Mal haben sie den Berg unter der Woche unter die Füsse genommen, dann lasse sich die Natur in Ruhe geniessen.

Unter der Woche ein Traum

Tatsächlich begegnen jene, die es sich einrichten können, den Mont Soleil unter der Woche an einem Vormittag zu besuchen, kaum jemandem. Anders am Wochenende. Dann ist hier einiges los. Zumindest, wenn das Wetter stimmt. Darauf und auf eine entsprechend volle Terrasse hofft der Wirt des Restaurants Chalet Mont-Crosin.

Kurz vor dem Erreichen des Ziels stehen noch einmal besonders viele Osterglocken im Feld. Fast, als wollten sie die Wanderinnen für die leichte Anstrengung belohnen und dafür sorgen, dass die Besucher mit blumigem Gemüt die Busfahrt zurück ins Tal antreten.

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