Nur halb so viel freie Spielzeit
Kinder von Doppelverdienern sind seltener draussen

Eine neue Studie zeigt: Der Grad der Berufstätigkeit der Eltern beeinflusst die Freiheit der Kinder. Dazu kommt die Wohnsituation der Kinder.
Publiziert: 20.11.2016 um 14:02 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 15:34 Uhr
Kinder spielen nur noch selten auf einem Spielplatz. (Symbolbild)
Foto: ALESSANDRO DELLA BELLA
Kinder spielen nur noch selten auf einem Spielplatz. (Symbolbild)
Foto: ALESSANDRO DELLA BELLA

Im freien Spiel erlangen Kinder Selbstbewusstsein, Sozialkompetenz und Autonomie – wichtige Grundlagen für ein erfolgreiches und zufriedenes Leben. Die Zeit, die ihnen dafür zur Verfügung steht, nimmt jedoch stetig ab, sagt Urs Kiener von Pro Juventute Schweiz: «Wir beobachten diese Tendenz seit Jahren», sagt er der «NZZ am Sonntag».

Pro Juventute hat die Situation in der Schweiz erstmals untersucht. In einer repräsentativen Befragung gaben Eltern Auskunft über das Spielverhalten ihrer 5- bis 9-jährigen Kinder.

Diese ergab, dass an drei Stichtagen im Februar 2016 15 Prozent der Kinder gar nicht im Freien gespielt hatten, weitere 20 Prozent nur unter Aufsicht.

Eine massive Beeinträchtigung

Die Kinder, die alleine raus durften, verbrachten dort im Durchschnitt 45 Minuten. «Eine deutliche Gruppe der Schweizer Kinder hat keine Möglichkeit des freien Spiels», sagt Studienautor Peter Höfflin von der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg (D).

Das bedeute für sie eine massive Beeinträchtigung: «Kinder müssen sich austoben können, um sich kognitiv gut zu entwickeln.»

Eine Erkenntnis ist dabei besonders auffallend: Der Umfang der Erwerbstätigkeit der Eltern hat einen direkten Einfluss auf das Spielverhalten der Kinder. Je mehr Eltern arbeiten, desto weniger Zeit haben die Kinder, um unbeaufsichtigt draussen zu spielen.

Überbehütet gleich strukturiert

Dazu Kiener: «Bei überbehüteten Kindern aus gut situierten Familien ist die Freizeit häufig sehr strukturiert.» Die Kinder würden oft in Kurse, Klubs und Weiterbildungen gesteckt, um sie zu fördern. Dabei bliebe das frei Spiel auf der Strecke.

Kinder mit Eltern, die beide arbeiten müssen, um finanziell über die Runden zu kommen, leben oft in Überbauungen mit einer wenig kinderfreundlichen Umgebung. Die Studie zeige, dass das Wohnumfeld der wichtigste Faktor sei, der die Freiheit der Kinder begrenzt.

Ist die Umgebung gefährlich und bietet wenig Raum zum spielen, lassen die Eltern ihren Nachwuchs seltener ohne Aufsicht. Wichtig sei auch die Erreichbarkeit von Spielkameraden für die Kinder.

Pro Juventute will nun das freie Spiel der Kinder wieder fördern. Die Organisation macht sich deshalb für eine kinderfreundlichere Siedlungsgestaltung stark. Viel brauche es nicht: Verkehrsberuhigungen, sichere Fussgängerverbindungen, Räume zum Spielen – keine normierten Anlagen, sondern Wiesen mit Büschen und Wasserlachen würden die Kinder brauchen. (nbb)

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