Notbremse der Unglücks-Seilbahn schon vor Jahren manipuliert
Das sagt der Schweizer Hobbyfilmer zu seiner Enthüllung

Weil das Bremssystem manipuliert war, stürzte eine Goldel am Lago Maggiore Ende Mai ab. 14 Menschen starben. Aufnahmen eines Schweizer Hobbyfilmers zeigen: Schon Jahre zuvor war die Notbremse blockiert.
Publiziert: 03.06.2021 um 10:36 Uhr
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Aktualisiert: 03.06.2021 um 12:52 Uhr
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Hobbyfilmer Michael Meier hat die Unglücksbahn in der Vergangenheit mehrmals gefilmt. Jetzt könnten seine Aufnahmen wichtige Beweisstücke sein.
Foto: ZDF
Helena Schmid

Seit 25 Jahren fotografiert und filmt Michael Meier Seilbahnen. Die genialen Konstruktionen in der Landschaft am Berg faszinierten ihn von klein auf. 300'000 Fotos und 25'000 Videos hat er in seinem Archiv. «Manche Menschen fotografieren aus Leidenschaft Züge oder Flugzeuge. Ich eben Seilbahnen», sagt er zu Blick. Nun sind seine Hobby-Aufnahmen plötzlich ein Beweisstück.

Am Pfingstsonntag stürzt am Monte Mottarone in Norditalien eine Gondel in die Tiefe. 14 Insassen sterben. Kurz nach dem Unglück geben die Ermittler bekannt: Die Notbremse an der Gondel funktionierte nicht. Der technische Leiter der Bahn, Gabriele T.* (63), hatte angeordnet, sie mit einer roten Metallklammer, einer sogenannten Forchettone, zu blockieren.

Michael Meiers Aufnahmen zeigen jetzt: Schon viele Jahre davor hatten die Betreiber so Menschenleben riskiert!

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«Wäre niemals eingestiegen»

Die Unglücksseilbahn fotografierte und filmte Meier in den Jahren 2014 und 2018. Die Forchettone ist auf den Aufnahmen beider Jahre zu erkennen. Meier fiel sie zunächst gar nicht auf. «Grundsätzlich stelle ich die Technik lediglich dar. Analysieren tue ich sie nicht», erklärt er Blick.

Wie ihm erging es wohl auch anderen Interessierten. Das erste Video der Funivia Monte Mottarone stellte er im Sommer 2014 ins Netz. In einigen Sequenzen ist die Klammer sichtbar. Eine Reaktion bekam Meier nie. Bis jetzt.

Als der Schweizer nach dem Unfall auf die Forchettone aufmerksam wurde, war er geschockt: «Hätte ich die Klammer gesehen, wäre ich nie in diese Seilbahn eingestiegen.»

Mitarbeiter unter Hausarrest

Der Gebrauch der Forchettone ist in Italien zulässig, so lange die Gondel keine Personen transportiert. In der Schweiz ist das grundsätzlich verboten. Dass sich daran nicht gehalten wird, hat Meier noch nie erlebt.

Doch weshalb wird die Notbremse überhaupt deaktiviert? Offenbar gab es am Monte Mottarone Probleme mit dem Bremssystem. Doch statt eine gründliche Reparatur zu veranlassen, griffen die Verantwortlichen zu einer schnellen Lösung: Die Forchettone sollte verhindern, dass die Notbremse willkürlich zuschnappt und die Gondel plötzlich stoppt.

Nachdem das ZDF die italienische Staatsanwaltschaft mit den Aufnahmen des Schweizers konfrontierte, hiess es, man werde sie der zuständigen Staatsanwältin weiterleiten. Gabriele T. steht indes unter Hausarrest. Sein Mitarbeiter und der Firmenchef wurden mangels Beweisen aus der Haft entlassen.

*Name bekannt


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