46 Polizisten waren an Bord, trotzdem floss Blut: Nach Aufsetzen des Flugzeugs auf nigerianischem Boden rastete ein Asylbewerber aus und verletzte vier Beamte schwer. Zwei Mitarbeiter des Bundesamts für Migration (BFM) und ein Polizist wurden leicht verletzt. Ein weiterer Polizist erlitt Kopfverletzungen.
Gestern berichtete das Schweizer Radio SRF über den Vorfall während des Ausschaffungsflugs vom 4. November nach Lagos. Obwohl sich in der vom Bund gecharteten Maschine auf die 23 Ausschaffungshäftlinge doppelt so viele Polizisten befanden, hatten diese kurzzeitig die Kontrolle über den aggressiven Mann verloren.
Fesseln oder nicht?
Bei der Übergabe des Mannes an die nigerianischen Behörden war es zum Ausraster gekommen. Ein besonders heikler Zeitpunkt im Rückschaffungsverfahren. Wie sich die Beamten dabei vor Angriffen schützen, liege in der Kompetenz der Kantone, die für die sogenannten Sonderflüge verantwortlich sind, sagt BFM-Sprecher Martin Reichlin. Je nach Verhalten und den konkreten Umständen werde über eine Fesselung entschieden. «Während des Flugs wird diese laufend überprüft und teilweise gelockert oder sogar ganz entfernt.»
Im Fall von Anfang Monat haben die Beamten offensichtlich eine falsche Beurteilung getroffen, was das Gefahrenpotenzial des Nigerianers betraf. Welcher Kanton für die Rückschaffung verantwortlich war, teilt das BFM nicht mit.
«Sonderflüge sind die letzte Möglichkeit»
Nur wenige Asylbewerber werden mit Sonderflügen rückgeschafft. Über 98 von 100 «ausreisepflichtigen Personen» verlassen die Schweiz laut BFM ohne Polizeibegleitung. So hat jede Person die Möglichkeit, innert einer festgelegten Frist selbstständig und mit einer Rückkehrhilfe von bis zu 6000 Franken auszureisen. Tut dies ein Abgewiesener nicht, wird er mit Polizei-Begleitung bis zum Eingang des Flugzeugs gebracht, wenn nötig gar von einem Polizisten auf dem Linienflug begleitet.
Erst wenn sich jemand auch diesen Rückführungen verweigert, wird ein Platz in einem Sonderflug reserviert. «Er ist die letzte Möglichkeit, um den Willen des Gesetzgebers durchzusetzen», sagt Reichlin.
Nach Nigeria organisiert der Bund für die Kantone zwei bis drei Sonderflüge pro Jahr. Dieses Jahr wurden so bereits 49 Nigerianer ausgeschafft. Zu Zwischenfällen komme es bei den Flügen laut BFM nur selten. Der Vorfall von Anfang November sei der erste seiner Art in seit 2011, sagt Reichlin.
Ein Jahr zuvor war es allerdings zu einem äusserst gravierenden Zwischenfall gekommen. Im März 2010 starb ein 29-jähriger Nigerianer vor dem Sonderflug an Herzversagen. Er war gefesselt worden und litt an einer schweren Herzkrankheit, von der die Behörde nichts wussten. In Folge des «akuten Erregungszustands» und eines Hungerstreiks überlebte er seine Ausschaffung nicht. In der Folge waren die Sonderflüge für einige Zeit ausgesetzt worden. (lha)
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