So bestimmen sie, wer leben und wer sterben soll
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Nicht alle wollen Intensivbett:Die Hälfte stirbt im Altersheim

Nicht alle wollen auf die Intensivstation
Die Hälfte stirbt im Altersheim

Viele alte Menschen verzichten darauf, bei einer schweren Infektion mit dem Corona-Virus künstlich beatmet zu werden.
Publiziert: 01.11.2020 um 16:44 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2020 um 20:34 Uhr
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Sind die Betten auf den Intensivstationen belegt, sollen über 85-Jährige nur noch palliativ behandelt werden.
Foto: imago images/Max Stein
Milena Stadelmann

Steigt die Zahl der Covid-­ Pa­tienten auf den Intensiv­stationen dramatisch an, müssen Mediziner wohl schon bald entscheiden, wer gerettet wird – und wessen Leben nicht verlängert werden kann. Die Einstufung von Pa­tienten nach ihrer Gesundungs­prognose nennen Mediziner Triage.

Weil diese Entscheidung schwer, wenn nicht unmöglich ist, haben die Akademie der Medizinischen Wissenschaften und die Gesellschaft für Intensivmedizin einen Leitfaden erstellt. Darin steht: «Im Zusammenhang mit Covid-19 ist das Alter ein Risikofaktor für die Sterblichkeit und muss daher berücksichtigt werden.» Sind die Betten auf den Intensivstationen belegt, sollen über 85-Jährige nur noch palliativ behandelt werden, also lediglich Medikamente zur Beruhigung und Linderung von Schmerzen erhalten.

Kein Intensivbett für Ältere?

Dabei ist Covid-19 gerade für alte Menschen eine Gefahr. Seit dem Ausbruch der Pandemie sind von 9655 Infizierten über 80 Jahren rund 15 Prozent verstorben. Das heisst aber auch: 85 Prozent ­haben die Krankheit überstanden. Experten kritisieren deshalb, das ­Alter als Entscheidungskriterium für einen Platz auf der Intensivstation zu betrachten. Gemäss Erwachsenenschutzgesetz steht es schliesslich jeder urteils­fähigen Person zu, selbst zu entscheiden, ob im Falle einer schweren Krankheit eine Behandlung stattfinden soll oder nicht.

«Das Grundrecht aufgrund der Krise zu untergraben, finden wir als Altersorganisation eine gefährliche Entwicklung», sagt Peter Burri ­Follath (50) von Pro Senectute Schweiz. «Eine Triage in den Spitälern in dieser Form wäre eine neue Situation, die wir so in der Schweiz bisher nicht gekannt haben. Diese Notsituation gilt es unter allen Umständen zu vermeiden.»

Doch längst nicht alle Betagten wollen sich bei einer Infektion mit Covid-19 hospitalisieren lassen – insbesondere Bewohnerinnen und Bewohner von Altersheimen. Das zeigt eine Umfrage des SonntagsBlicks bei 18 Kantonen. Nur etwa die Hälfte der Corona-Toten sind der Krankheit im Spital erlegen. Bis auf wenige Ausnahmen starben die anderen in ­Alters- und Pflegeheimen.

Curaviva ist der Dachverband der Schweizer Alters- und Pflegeheime. Markus Leser ist dort für den Bereich Menschen im Alter zuständig. Er sagt: «Sterben gehört in Alters­heimen dazu, mit und ohne Corona. Die Bewohnerinnen und Bewohner in einer Institution befinden sich mehrheitlich in ihrem letzten Lebensabschnitt.» Viele wollten einen langen oder schmerzhaften Sterbeprozess vermeiden. «Darum bevorzugen die meisten eine palliativ­medizinische Versorgung gegenüber einer intensivmedizinischen.»

Per Verfügung keine Beatmung

Wer nicht künstlich beatmet werden möchte, hält dies beispiels­weise in einer Patientenverfügung fest. Pro Senectute versendet entsprechende Vorlagen auf Wunsch – die Bestellungen haben sich seit Ausbruch der Pandemie stark erhöht, im Tessin und in der Romandie sogar verdoppelt. «Die Menschen setzen sich früher mit dem Sterben ausei­nander», sagt Burri Follath.

Ungeachtet der Krisenslage sollte man laut dem Pro-Senectute-Sprecher aber nicht vergessen: «Das Ausfüllen einer Patientenverfügung ist ein Prozess.» Es sei wichtig, sich Zeit zu nehmen und sich mit Angehörigen abzusprechen. «Man soll sich auf keinen Fall vom drohenden Engpass an Intensivbetten zu voreiligen Entscheidungen drängen lassen.»

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