Wenn die Tage kürzer werden, kommt sie wieder: die Herbstdepression. Bei vielen Schweizern aber klingt die seelische Verstimmung auch nicht ab, wenn die Sonne wieder länger scheint. Diese Woche publizierte der Bund die neuste Gesundheitsstatistik. Demnach fühlen sich 15 Prozent der Bevölkerung psychisch belastet, leiden zum Beispiel an einer Depression. Professionelle Hilfe suchen allerdings nur drei von vier dieser Menschen. Ein wichtiger Grund: Sie müssten eine Therapie häufig selbst bezahlen.
Auch die 24-jährige Lisa* rutschte einmal in eine Depression: «Ich fühlte eine grosse Lust- und Sinn-losigkeit, meine Umgebung war dumpf, wie in Watte gepackt», berichtet die Grafikdesignerin in Ausbildung. Was der Auslöser war, kann sie nicht sagen – es kamen wohl verschiedene Faktoren zusammen: Stress in der Schule, verdrängte Erlebnisse in der Kindheit, der Tod eines geliebten Menschen.
Nur dank elterlicher Unterstützung
Irgendwann suchte sie Hilfe bei einem Psychologen. Für die Kosten musste sie selber aufkommen. Die Krankenkasse wollte die Behandlung durch den selbständigen Therapeuten nicht berappen. Bisher übernehmen Kassen die Kosten nur, wenn der Therapeut bei einem Arzt angestellt ist. Lisa sagt: «Hätten mich meine Eltern nicht finanziell unterstützt, hätte ich mir wohl keine Hilfe gesucht.»
Geht es nach dem Bundesrat, soll der Zugang zu einer Psychotherapie künftig einfacher werden. Die Landesregierung schlägt den Wechsel zum sogenannten Anordnungssystem vor. Das würde bedeuten, dass auch die Therapie bei einem selbständigen Psychologen von der Kasse bezahlt wird – sofern ein Arzt sie verordnet.
Die St. Galler Psychologin Elisabeth Frick Tanner (64) setzt seit mehr als 25 Jahren auf tierische Unterstützung. Eine Therapiekatze wie Pandora (Bild rechts) nimmt die Hemmungen und vereinfacht so die Kommunikation mit den Patienten. Doch Pandora kann auch die Heilung unterstützen, erklärt Frick: «Bei depressiven Menschen, die oft sehr niedergeschlagen sind, springt die Lebensfreude der Tiere regelrecht auf die Patienten über.»
Die St. Galler Psychologin Elisabeth Frick Tanner (64) setzt seit mehr als 25 Jahren auf tierische Unterstützung. Eine Therapiekatze wie Pandora (Bild rechts) nimmt die Hemmungen und vereinfacht so die Kommunikation mit den Patienten. Doch Pandora kann auch die Heilung unterstützen, erklärt Frick: «Bei depressiven Menschen, die oft sehr niedergeschlagen sind, springt die Lebensfreude der Tiere regelrecht auf die Patienten über.»
Die Krankenkassen nehmen deshalb an, dass mit dem neuen Modell mehr Menschen eine Therapie in Anspruch nehmen. Und dass die Kosten in die Höhe schnellen.
«Pro Behandlungsserie maximal zehn Sitzungen»
Immer mehr Menschen suchen Hilfe durch Psychotherapie. Aktuelle Zahlen von Helsana zeigen: Zwischen 2012 und 2017 gab es eine Zunahme um 40 Prozent.
Die Krankenkassen wehren sich nicht grundsätzlich gegen den Systemwechsel. Pius Zängerle, Direktor des Krankenkassenverbandes Curafutura, knüpft die Zustimmung jedoch an Bedingungen. So sollen Psychologen mit einer Weiterbildung in Psychotherapie mindestens zwei Jahre klinische Berufserfahrung vorweisen können, bevor sie Therapien im Anordnungsmodell durchführen dürfen.
«Ausserdem dürfen pro Behandlungsserie maximal zehn Sitzungen angeordnet werden», fordert Zängerle. «Damit hoffen wir, dass es im Rahmen des geplanten Systemwechsels bei der Psychotherapie nicht zu einer grossen Mengenausweitung und damit zu Mehrkosten führen wird.»
Lisa musste verschiedene Therapien ausprobieren
Dabei braucht es oft nicht viel, damit Betroffenen geholfen werden kann, wie Psychotherapeutin Margarethe Letzel (62) sagt: «Die eigenen Bedürfnisse wieder zu entdecken – das ist die Leitlinie.» Dazu nutzen Therapeuten eine breite Palette von Massnahmen, insbesondere eine Gesprächstherapie.
Lisa, die inzwischen genesen ist, musste verschiedene Therapien ausprobieren, bis sie ein passendes Angebot fand. Hinzu kam die lange Wartezeit für einen Therapieplatz. «Bei Depressionen ist das schwierig, insbesondere dann, wenn man keine Unterstützung hat», sagt Lisa. Denn das Wichtigste für sie war, früh Hilfe von einer Fachperson zu bekommen: «Man sollte sich Unterstützung holen, bevor es zu spät ist und man in eine schwere Depression fällt.»
* Name geändert