Neue Schock-Zahlen des Bundes
Killer-Keime in jedem zweiten Poulet

Im Poulet-Fleisch werden immer häufiger multiresistente Keime nachgewiesen. Inzwischen reagieren auch die Grossverteiler.
Publiziert: 08.11.2015 um 15:42 Uhr
|
Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:46 Uhr
Schwierig zu bekämpfen: Multiresistente Erreger im Poulet.
Foto: Thinkstock
Von Cyrill Pinto

Hunderte Poulets haben die Forscher im Auftrag des Bundes getestet. Importware und Fleisch aus Schweizer Zucht untersuchten sie auf multiresistente Keime. Die Ergebnisse sind alarmierend: In 41 Prozent der Mastpoulets und bei 73 Prozent der Fleischproben wiesen die Forscher gefährliche Darmbakterien vom Typ E. coli nach.

Multiresistente Keime sind gegen herkömmliche Antibiotika immun. Tierärztin Gudrun Overesch (53) von der Universität Bern war bei der Untersuchung federführend. Sie zeichnet ein düsteres Bild: «Der langjährige Trend zeigt eine Zunahme der multiresistenten Keime bei Mastpoulets und Pouletfleisch.»

2006 fanden sich in 15 Prozent der Proben Keime vom Typ Campylobacter, 2014 lag die Quote bei 46 Prozent. Das Bakterium verursacht bei gesundheitlich angeschlagenen Menschen schwere Magen-Darm-Erkrankungen.

Um die Entwicklung zu beobachten, rief der Bund 2006 ein nationales Monitoring zur Überwachung der Antibiotika-Resistenzen ins Leben. Vor zwei Wochen erschien der aktuellste Bericht mit den schockierenden Zahlen.

Doch warum kann das Poulet aus dem Kühlschrank plötzlich unsere Gesundheit gefährden? Antibiotika, die eigentlich für den Menschen gedacht sind, werden zunehmend in der Tiermedizin eingesetzt. In grossen Mastbetrieben kann sich kein Züchter kranke Tiere leisten, Antibiotika versprechen schnelle Heilung. Der unerwünschte Nebeneffekt: Die Bakterien in den Hühnern entwickeln Resistenzen, die sich über das rohe Fleisch auf Menschen übertragen können.

Experten raten deshalb, Hände und Küchenutensilien nach der Verarbeitung von Pouletgründlich zu waschen – und das Fleisch gut durchzubraten.

Nathalie Rochat vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) spricht von einer «beunruhigenden Entwicklung». Um dem entgegenzuwirken, beauftragte der Bundesrat drei Ämter mit der Ausarbeitung einer nationalen Antibiotikastrategie. Ende Jahr entscheidet er über das weitere Vorgehen.

Inzwischen reagieren auch die Grossverteiler. So setzt die Migros-Tochter Micarna bei der Poulet-Produktion keine Antibiotika präventiv ein, wie Migros-Sprecher Luzi Weber sagt: Bei den Labeln TerraSuisse und Migros Bio sei der Einsatz von Antibiotika zum Teil verboten oder eingeschränkt. Coop-Lieferantin Bell setzt auf verschärfte Hygiene-Massnahmen im Stall, wie Bell-Sprecher Fabian Vetsch sagt. Doch die aktuellen Zahlen zeigen: Das alles ist wohl nicht genug, um die Ausbreitung der resistenten Keime einzudämmen.

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