Normalerweise bleiben Mafiosi unsichtbar
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Mafia-Expertin erklärt:Normalerweise bleiben Mafiosi unsichtbar

‘Ndrangheta-Expertin Zora Hauser
«Auch Dorfpolizisten müssen Mafia-Strukturen erkennen können»

Die Schweizerin Zora Hauser ist Mafia-Expertin an der Universität Oxford. Im BLICK erklärt sie, wie die Mafia in die Schweiz kam – und wieso Gruppierungen wie die 'Ndrangheta hierzulande unterschätzt werden.
Publiziert: 22.07.2020 um 23:08 Uhr
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Aktualisiert: 23.07.2020 um 14:21 Uhr
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Zora Hauser, Mafia-Expertin, sagt, die Schweiz unterschätze die Strukturen des kriminellen Verbrechens hierzulande.
Foto: zVg
Interview: Celina Euchner

BLICK: Den Ermittlern ist ein Grossschlag gegen die Mafia in Italien und der Schweiz gelungen. Es geht um Drogen- und Waffenhandel, Geldwäscherei und Korruption. Sollte uns das erstaunen, dass die Kraken-Arme der Mafia bis zu uns reichen?
Zora Hauser: Die 'Ndrangheta und andere Mafia-Gruppierungen sind seit 30 bis 50 Jahren in ganz Europa und auch in der Schweiz aktiv. Der Polizei ist das auch bewusst.

Wie funktioniert das System der Mafia hierzulande?
Es ist kein System wie in Kalabrien, wo die 'Ndrangheta ihre Wurzeln hat. In der Schweiz sind es einzelne mutmassliche Mafiosi oder Ableger von Mafia-Gruppierungen mit einem sehr engen Verhältnis zur Heimat. Alle wichtigen Entscheidungen werden in Kalabrien getroffen. Die Zellen in der Schweiz sind zwar einigermassen autonom, aber sie bleiben immer in Verbindung mit dem Ursprung.

Tut dieser Schlag der 'Ndrangheta überhaupt weh?
Nein, das ist nicht genug, um der 'Ndrangheta zu schaden. Es ist eine sehr wichtige Aktion, weil sie ein klares Zeichen setzt. Die Schweiz ist jetzt aufmerksam. Durch diese Operation alleine wird man den Kampf gegen das organisierte Verbrechen aber nicht gewinnen.

Unterschätzt die Schweiz die Mafia?
Sie wurde unterschätzt. Genau wie zu Anfang in Italien. Es wurde jetzt eine neue Strategie angekündigt und die Mafia mehr priorisiert. Das hätte früher passieren sollen.

Warum fühlen sich die Mafiosi hier wohl?
Das Bewusstsein, dass es die Mafia in der Schweiz gibt, war in der Bevölkerung nicht da. Das ist sehr gut für illegale Geschäfte, so bleibt man unter dem Radar. Und bei der Schweizer Strafverfolgung liegen die Prioritäten nicht bei der Mafia.

Haben sich Mafiosi in der Schweiz derart gut eingelebt, dass sie uns nicht auffallen?
Wir haben ein Bild von Mafiosi mit Gangster-Hut und Waffe. Aber es sind Menschen wie wir alle. Zudem ist die 'Ndrangheta die unauffälligste Mafia-Vereinigung. Sie nutzt ungern Gewalt, das generiert Aufmerksamkeit. Trotzdem sind Mafia-Strukturen eine grosse Bedrohung, denn sie haben die Fähigkeit, das System zu korrumpieren. Solche Unterwanderungen schwächen das demokratische Leben.

Muss man sich jetzt vorstellen, dass in jeder Dorf-Pizzeria Geld gewaschen wird?
So ist es nicht. Selbst in Kalabrien ist nur eine Minderheit der Menschen in der Mafia. Aber die 'Ndrangheta hat sich in der Schweizer Gesellschaft eingenistet und ist schwierig zu erkennen.

Die Spur führt jetzt nach Muri im Aargau. Warum halten sich Mafiosi in Dörfern auf?
Die Forschungshypothese ist, dass es dort einfacher ist, illegale Geschäfte zu betreiben. Je kleiner das Dorf, desto weniger Aufmerksamkeit. In einer grossen Stadt wie Zürich gibt es zudem Wettbewerb unter Kriminellen.

Wie kann man den Mafia-Sumpf trockenlegen?
Dass er ganz trockenlegen gelegt wird, ist unwahrscheinlich. Man kann dagegen kämpfen und so auch die 'Ndrangheta schwächen. Es braucht aber eine Strategie und strukturelle Ermittlungen. Auch Dorfpolizisten müssen Mafia-Strukturen erkennen können. Es hilft nicht, wenn nur in Bern Sondereinheiten ausgebildet werden.


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