Um die Energiewende zu schaffen und von den fossilen Energieträgern wegzukommen, soll auch die Windkraft eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Doch der Ausbau von Windenergieanlagen kann eine Bedrohung für Vögel darstellen, auch für den in der Schweiz seltenen Bartgeier.
Höchstes Risiko an steilen Südhängen
Naturschutzbiologen der Universität Bern identifizierten nun Konfliktbereiche in den Schweizer Alpen, wo es zu Kollisionen zwischen Bartgeiern und Rotorblättern von Windkraftanlagen kommen könnte. Ihr Fazit: 30 Prozent der Fläche der Schweizer Alpen weisen ein hohes Kollisionsrisiko auf. Viele der Hotspots befinden sich demnach in den Bergen an der Kantonsgrenze zwischen Bern und Wallis sowie in den Engadiner Alpen.
Besonders ungünstig für Bartgeier sind gemäss der Analyse Windkraftstandorte an steilen, nach Süden ausgerichteten Berghängen sowie in Gebieten, in denen es viele Steinbockkadaver als Futter gibt. Das berichten die Forschenden im Fachmagazin «Royal Society Open Science».
Studie soll bei der Planung von Windparks helfen
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Bartgeier im Alpenraum ausgerottet. Im Jahr 1986 wurde mit einem internationalen Programm zur Wiederansiedlung in den Alpen begonnen. In der Schweiz leben derzeit 24 Bartgeier-Brutpaare. Mit einer Spannweite von über 2,6 Metern ist er der grösste Vogel der Alpen.
Die soeben publizierte Studie beruht auf GPS-Daten von 28 Bartgeiern, die während sechs Jahren gesammelt wurden. Die Auswertung zeigt, dass 74 Prozent der GPS-Positionen in einer Höhe von weniger als 200 Meter erfasst wurden, also dort, wo es zu Kollisionen kommen könnte, gäbe es an diesen Orten tatsächlich einst grosse Windräder. Der Grund für die oftmals tiefen Flüge der Bartgeier sind Aufwinde, die an sonnenexponierten Hängen sowie Bergrücken besonders stark sind und die die Vögel für ihren Flug nutzen.
Die Forschenden hoffen, mit ihrer Studie Behörden und Energieunternehmen bei der Planung von Windparks zu unterstützen, um das Risiko für empfindliche Wildtiere zu verringern.
Doch Studienerstautor Sergio Vignali betont, dass generelle Ratschläge schwierig zu erteilen seien: «In jedem einzelnen Fall müssen die Standortbedingungen genau analysiert werden», sagte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Zudem fokussiere diese Studie einzig auf den Bartgeier. «Es gibt natürlich noch viele andere Tiere wie Fledermäuse, Zugvögel oder Steinadler, die in die Entscheidung einfliessen sollten». Schlussendlich sei es ein Kompromiss und eine Abwägung der Risiken für die Tiere, so der Berner Forscher. Gemeinsam mit seinen Kollegen erstellt er derzeit eine Gefahrenkarte für Steinadler.
https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsos.211041
(SDA)