Nationalrätin Natalie Rickli legt noch einen drauf
Die Masse der Deutschen stört mich

Plötzlich kennt ganz Deutschland die SVP-Nationalrätin Natalie Rickli. «Wir haben zu viele Deutsche im Land», sagte sie letzte Woche. Jetzt legt sie nach.
Publiziert: 29.04.2012 um 00:31 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 20:55 Uhr
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«Ich habe nie den Anspruch, das ganze Volk hinter mir zu haben»
Foto: Sabine Wunderlin
Peter Hossli und Marcel Odermatt

SonntagsBlick: Frau Nationalrätin, was haben Sie gegen Christoph Blocher?
Natalie Rickli:
Was soll diese Frage?

Blochers Vorfahren wanderten aus Württemberg ein. Hätten Sie damals gelebt, wäre er nicht hier.
Ihre Frage ist billig. Ich habe nichts gegen Ausländer, die sich integrieren, unser Land gernhaben, hier arbeiten. Deshalb habe ich nichts gegen Christoph Blocher.

Deutsche mögen unser Land, sie integrieren sich, arbeiten.
Ich habe nichts gegen die Deutschen. Die Schweiz ist auf ausländische Arbeitnehmer angewiesen.

Sie sagen, es hätte zu viele Deutsche im Land. Was haben Sie gegen Deutsche?
Einzelne Deutsche stören mich nicht, mich stört die Masse.

Wo treten denn die Deutschen in Massen auf?
Speziell im Kanton Zürich. Gäbe es einzelne deutsche Ärzte, eine, zwei deutsche Serviertöchter im Restaurant, störte mich das nicht. Wenn es aber nur noch deutsche Serviertöchter hat, deutsche Ärzte, ich in den Schweizer Bergen nur noch von Deutschen bedient werde, fühle ich mich nicht mehr daheim. Dazu kommen die Einwohner aus fremden Kulturkreisen. Wir haben heute Schulklassen, wo es nur noch ein Schweizer Kind hat.

Sie wärmen mit leeren Provokationen ein altes Thema auf.
Die Diskussion ist wichtig und nötig. Mitte-links-Politiker und Journalisten werfen mir einen Satz vor, statt über verfehlte Zuwanderungspolitik zu reden.

Wir müssen Ihnen sagen: Ihre Aussage zu den Deutschen ist falsch.
Sehr viele Leute teilen meine Ansicht.

Es ist eine Minderheit. Nur ein Drittel sagt in unserer Umfrage, wir hätten zu viele Deutsche.
Ein Drittel? Das ist doch viel. Ich habe nie den Anspruch, das ganze Volk hinter mir zu haben. Ich bin für meine Wählerinnen und Wähler da. Wenn Sie das Gefühl haben, ein Drittel sei wenig, politisieren Sie am Volk vorbei.

Wir informieren.
Leider politisieren viele Journalisten heutzutage. Ich habe im Übrigen nie die Ventilklausel für Deutsche gefordert, sondern war dafür, dass man sie 2009 angerufen hätte, als vor allem Deutsche kamen.

Dann war die Aussage also falsch?
Nein. Ich hätte mich vielleicht etwas diplomatischer ausdrücken können.

Wie denn?
Wir haben ein Problem mit der Zuwanderung in der Schweiz. Wir haben zu viel Kriminalität. In unseren Gefängnissen sind 70 Prozent Ausländer. Wir haben ein Asylchaos. Wir haben offene Grenzen. Und wir haben ein Problem mit der Personenfreizügigkeit. Weil jeder in die Schweiz kommen, hier arbeiten kann und Zugang zu den Sozialleistungen hat. Von 2007 bis 2010 sind 101576 mehr Deutsche ein- als ausgewandert. Das ist die Bevölkerung der Stadt Winterthur.

Die Zuwanderung ist ein Segen für die Wirtschaft. Ohne ausländische Arbeitskräfte hätten wir heute ein negatives Wachstum.
Das ist falsch. Weil wir Wirtschaftswachstum haben, brauchen wir mehr Leute.

Sie wollen die Ausländer ja nicht. Also wollen Sie kein Wachstum?
Die Wirtschaft wächst nicht wegen der Zuwanderung. Die Wirtschaft wächst, weil wir ein gutes System, Stabilität und gute Unternehmen haben.

Richtig – es ist hier möglich, Ausländer zu beschäftigen.
Wir müssen nur jene holen, die wir brauchen. Keine Kriminellen, keine Sans-Papiers. Wir wollen jene nicht, die am Sozialsystem hängen. Wer keinen Job hat, soll wieder gehen. 22,8 Prozent der Bevölkerung sind Ausländer. Abgesehen von Kleinstaaten haben wir in Europa den höchsten Ausländeranteil. Zum Vergleich: Deutschland hat rund neun Prozent.

Wo ist das Problem? Wir sind das reichste Land Europas.
Deshalb drängen so viele in die Schweiz. Jetzt platzen wir aber aus allen Nähten. Deutsche nehmen Leuten vom Balkan die Arbeitsplätze weg. Diese werden arbeitslos und für uns zur Belastung.

Unsere Arbeitslosigkeit ist klein – trotz Zuwanderung.
Immerhin drei Prozent haben keine Arbeit. Ich kriege Mails vieler besorgter Bürger, die wegen jüngerer Deutschen die Stelle verlieren.

Hätten wir weniger Arbeitslose, würde die Inflation anziehen.
Jetzt geht es uns noch gut, aber es stehen schlechtere Zeiten bevor.

Sie kennen also die Zukunft?
Dazu muss man kein Prophet sein. Aber die arbeitslosen Ausländer bleiben hier. Das belastet die So­zialsysteme. 45,7 Prozent der So­zialhilfebezüger sind Ausländer, von den IV-Bezügern sind es 32,8, unter den Arbeitslosen 46,3 Prozent. Schweizer arbeiten, um Ausländer zu finanzieren.

Deutsche in der Schweiz sind selten arbeitslos. Warum hetzen Sie gegen die Deutschen?
Ich hetze nicht gegen Deutsche. Ich spreche die Problematik an, dass zu viele hier sind. Journalisten  wie Sie sollten sich besser mit dem Thema Zuwanderung befassen als mit den Deutschen.

Sie selbst reden über Deutsche.
In der Schweiz leben 276000 Deutsche. Rechnen wir das auf Deutschland um, wären 2,7 Millionen Schweizer in Deutschland.

Oswald Grübel ist ein Deutscher. Erst rettete er die CS, bei der UBS gelang ihm der Turnaround.
Ich bin ein Fan von Herrn Grübel. Er kritisiert den Bundesrat zu Recht für die Weissgeldstrategie. Er verteidigt im Gegensatz zu vielen Schweizer Topbankern den Finanzplatz.

Wer soll in Schweizer Spitälern arbeiten, wenn die Deutschen weg sind?
Ich habe kein Problem mit deutschen Ärzten. Meine Physiotherapeutin ist eine Deutsche. Mich stört aber, wenn es nur noch Deutsche hat. Überdies hatten wir 2011 8493 Arbeitslose im Gesundheitswesen.

Schweizer Ärzte hat es aber zu wenig.
Die Probleme im Gesundheitswesen sind hausgemacht. Deutsche sind nicht die Lösung. Wir müssen den Numerus clausus aufheben. Es darf nicht sein, dass wir Schweizer daran hindern, Medizin zu studieren – und Deutsche holen.

Was stört Sie, wenn eine Deutsche Sie in der Beiz bedient?
Es stört mich, wenn ich nur noch von Ausländern bedient, nur noch von Ausländern gepflegt werde.

Mit solchen Aussagen schüren Sie Fremdenfeindlichkeit.
Wir haben in der Schweiz ein Ausländerproblem, nicht ein Deutschenproblem. Fremdenfeindlichkeit schüren jene, die diese Debatte nicht führen wollen und Journalisten wie Sie, die mir Fremdenfeindlichkeit vorwerfen.

Sie werden «rechtsextrem» und «Kampfblondine» genannt. Das muss Sie nachdenklich stimmen.
Schon. Ich bin in der Sache hart, aber anständig und fair. Zudem vertrete ich die grösste demokratische Partei der Schweiz. Wir haben Meinungsfreiheit. Ich akzeptiere die Meinung anderer, aber ich erwarte, dass mir meine Gegner das gleiche Recht einräumen.

Was sagen Ihr deutscher Chef und Ihre Mitarbeiter zur Aussage?
Sie hatten keine Freude. Jeder Einzelne von ihnen ist aber sehr nett und macht einen guten Job.

Sie seien ein «politisches Leichtgewicht», machten «dümmliche» Aussagen, sagte Roger Schawinski in deutschen Medien.
Er ist wohl immer noch sauer, dass ich nicht in seine Sendung ging. Immerhin habe ich mehr Wähler als sein Radio Hörer hat.

Haben Sie diese Angriffe nicht selber ausgelöst?
Man will mir verbieten, über das Thema zu reden. Alle Medien haben mich sofort in die Nazi-Ecke gedrückt, in die Extremisten-Ecke. Mit Ihrer Art, harte Fragen zu stellen, tun Sie das ebenfalls.

Wer harte Fragen stellt, stempelt eine Politikerin zur Extremistin?
Zumindest könnte man meinen, Sie wählen die SP.

Da liegen Sie falsch. Es ist Pflicht der Medien, die Aussagen von Politikern zu hinterfragen.
Sie bringen kein Verständnis auf für das, was die Bevölkerung beschäftigt. Die Mehrheit hat Ja gesagt zur Ausschaffungsinitiative. Sie will keine kriminellen Ausländer in diesem Land.

Deutsche sind selten kriminell. Eine Mehrheit hat auch Ja gesagt zur Personenfreizügigkeit.
Der Bundesrat hat aber versprochen, bei Bedarf die Ventilklausel anzuwenden. Daran hat er sich 2009 nicht gehalten.

Sie haben Interview-Anfragen aus Deutschland. Was sagen Sie dort?
Ich bin eine Schweizer Politikerin, ich politisiere hier. Deshalb habe ich alle Anfragen aus Deutschland nicht beantwortet.

Demnächst werden in der Schweiz acht Millionen Menschen leben. Wo liegt für Sie die Grenze?
Sie ist erreicht.

Das heisst?
Viel mehr Menschen haben auf diesem Raum nicht mehr Platz. Die Inf­rastruktur ist nicht beliebig ausbaubar.

Welche Rezepte haben Sie?
Die Schweiz ist ein souveräner Staat, keine Filiale der EU oder der USA. Wir müssen sagen können, welche Ausländer wir wollen. Ich will zurückgehen zum Saisonnier-Status und fixen Kontingenten. Zuwanderung soll den gesamtwirtschaftlichen Interessen dienen.

Wie meinen Sie das?
Schweizer sollen Vorrang bei der Stellenbesetzung haben. Findet man keinen Schweizer, sollen wir Spezialisten von überallher holen können, nicht nur aus der EU.

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