«Sie wollen sich für die Hungernden einsetzen, ohne deren Realitäten zu kennen», kritisierte GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley (VD) am Dienstag vor den Medien in Bern. Die Initianten instrumentalisierten die Armen für ihr politisches Marketing. «Über diese unverantwortliche Haltung kann man sich nur empören.»
Die Initianten gehen davon aus, dass die Spekulation eine der Ursachen für die Schwankungen der Nahrungsmittelpreise ist. Sie wollen deshalb spekulative Finanzgeschäfte verbieten, die sich auf Agrarrohstoffe oder Nahrungsmittel beziehen.
Produzenten sollen zwar weiterhin Verträge abschliessen dürfen, die es ihnen ermöglichen, die Ernte zu einem bestimmten Zeitpunkt für einen bestimmten Preis zu verkaufen. Mit solchen Derivaten soll aber nicht mehr gehandelt werden dürfen.
Aus Sicht der Gegner beruht die Forderung auf einem Irrglauben: Studien zeigten, dass der Handel mit Derivaten nicht zu höheren Nahrungsmittelpreisen führe, sondern einen positiven Effekt habe, betonten die Vertreter des Nein-Komitees.
Chevalley nannte als Beispiel Äthiopien, das 2008 einen Markt für Kaffeetermingeschäfte geschaffen habe. Fünf Jahre später hätten rund 2,4 Millionen Kleinbauern ihre Risiken über diese Börse absichern können - nicht nur für Kaffee, sondern auch für Weizen, Sesam, Bohnen oder Mais.
Sie kenne Afrika gut, versicherte Chevalley. Die Hauptursachen für Hunger seien Krieg, klimatische Ereignisse sowie Lagerungsprobleme. In Burkina Faso etwa liege das Problem darin, dass Kartoffeln und Zwiebeln nicht gelagert werden könnten. Zum Zeitpunkt der Ernte sei der Markt überschwemmt, später müssten die Nahrungsmittel zu hohen Preisen importiert werden.
Die Schweizer Entwicklungshilfe unterstütze deshalb den Bau von Kellern zur Lagerung - ein sinnvoller Ansatz. So müsse der Hunger bekämpft werden. Die Initiative dagegen wäre für die Länder des Südens schädlich.
Schädlich wäre ein Ja aus Sicht der Gegner auch für die Schweizer Wirtschaft. SVP-Nationalrat Hansjörg Knecht (AG) warnte vor einem «planwirtschaftlichen Koloss». Um die Einhaltung des Verbots zu überwachen, müsste eine neue staatliche Aufsichtsbehörde geschaffen werden. Zu besonders viel Aufwand würde die Ausnahmeregel führen, wonach Termingeschäfte dann zulässig wären, wenn sie der Absicherung dienen.
«Es müsste also kontrolliert werden, mit wem und warum Nahrungsmittelproduzenten und -händler Terminkontrakte über Mais, Weizen oder Kaffeebohnen abschliessen», stellte Knecht fest. Die Unterscheidung zwischen erlaubtem «gutem Hedging» und verbotener «böser Spekulation» sei schwierig und würde zu hohen Bürokratiekosten führen.
«Regulierungen sind grundsätzlich Gift für eine innovative Wirtschaft», sagte CVP-Ständerat Isidor Baumann (UR). Von der neuen Vorschrift wären nicht nur Firmen betroffen, deren Kerngeschäft der Handel mit Nahrungsmitteln sei, sondern auch Banken, Versicherungen oder Pensionskassen, welche in diese Produkte investierten oder diese absicherten.
Es sei damit zu rechnen, dass diese Firmen die Schweiz verlassen würden, warnte Baumann. Das würde zum Verlust vieler Arbeitsplätze führen. «Die Initiative bewirkt nichts ausser einer Umlagerung von Geschäftssitzen.»
FDP-Nationalrat Beat Walti (ZH) sprach von einem «Versuch am untauglichen Objekt». Eine bessere Lösung seien Positionslimiten bei Termingeschäften, eine Massnahme gegen den Missbrauch von Marktmacht durch einzelne Teilnehmer. Die USA und die EU hätten entsprechende Regeln geplant, und auch die Schweiz habe die Voraussetzungen dafür geschaffen.
Für Maurus Zeier, den Präsidenten der Jungfreisinnigen, ist die Initiative «eine weitere Idee aus dem sozialistischen Giftschrank der JUSO». Auch die anderen bürgerlichen Jungparteien lehnten sie ab, sagte Zeier. Das Stimmvolk wird am 28. Februar über die Initiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln» entscheiden.