Die Energiekrise ist nicht vom Tisch. Doch die Schweiz hat sich auf den Winter vorbereitet. Unter anderem mit einer Wasserkraftreserve, die der Bundesrat im letzten September anordnete: 400 Gigawattstunden Strom stellte die Landesregierung über eine Ausschreibung sicher. Diese Menge müssen die Betreiber von Speicherkraftwerken zurückhalten – für den Fall, dass die Energie im Februar oder März knapp wird.
Gratis tun die Lieferanten das nicht. Energie ist bekanntlich kostbar. Die Übung schlägt mit 300 Millionen Franken zu Buche – bezahlt von den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Das Geld fliesst in Unternehmen, die im Besitz von Kantonen und Gemeinden sind.
Für den Tessiner SP-Nationalrat Bruno Storni (68) ist das ein Ärgernis: «Wir bezahlen für Strom, der uns gehört. Und das auch noch zu einem überhöhten Preis.» Tatsächlich kostet die Winterreserve knapp 74 Rappen pro Kilowattstunde – bei Gestehungskosten von sechs Rappen pro Kilowattstunde.
Da wurde selbst dem Bundesrat bange: Statt wie geplant 500 Gigawattstunden Reserve liess er es bei 400 bewenden. Die Elektrizitätskommission Elcom formuliert es so: «Aufgrund der Gebotsstruktur wären bei einer höheren Reservemenge die Gesamtkosten und damit die finanzielle Belastung der Stromverbraucher überproportional stark angestiegen.»
Bruno Storni will solch teuren Notfall-Aktionen künftig einen Riegel schieben. Der Energiepolitiker hat zum Ende der Wintersession eine Motion eingereicht, mit der er die Betreiber von Speicherkraftwerken zur Vorhaltung einer Wasserkraftreserve verpflichten will – gegen Zahlung der Selbstkosten und eines üblichen Gewinnaufschlags. «Das würde die Versorgungssicherheit massiv erhöhen», sagt Storni. «Und es würde die Konsumentinnen und Konsumenten deutlich weniger kosten.»
Dividenden dank hoher Preise
Bis 2009 mussten die Kraftwerke in vielen Kantonen die Stromlieferungen garantieren. Doch mit der Liberalisierung fiel diese Verpflichtung weg. Seither verkaufen die Energielieferanten ihren Strom nach Belieben auf dem freien Markt. Das freut Kantone und Gemeinden, die jedes Jahr satte Dividenden einstreichen.
«Es kann nicht sein, dass die Verbraucher für diese Politik zahlen müssen, wenn eine Mangellage droht», sagt Storni. Er will den Freipass von 2009 rückgängig machen – doch dieses Mal auf Bundesebene, mittels einer Anpassung des Landesversorgungsgesetzes. Dieses zählt bereits heute Energieträger zu den lebenswichtigen Gütern und die Speicherung von Energie zu den lebenswichtigen Dienstleistungen. In der Realität wird diese Bestimmung allerdings nur auf Erdöl angewandt. «Deshalb müssen wir die Verpflichtung zur Vorhaltung einer Wasserkraftreserve nun explizit ins Landesversorgungsgesetz schreiben», so Storni.
Offen ist, ob Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63) oder der neue Energieminister Albert Rösti (55) auf Stornis Vorstoss reagieren wird. Doch die Idee dürfte bei beiden SVP-Bundesräten auf Interesse stossen: Für ihre Partei hat die Versorgungssicherheit oberste Priorität.