Die Aussagen von Vitus Huonder sorgten für landesweite Empörung. Der Churer Bischof hatte in einem Vortrag vor gut einer Woche zwei Stellen im Alten Testament der Bibel zitiert, die Homosexualität als «Gräueltat» bezeichnen. «Beide werden mit dem Tod bestraft», so der Vers.
Zwar relativierte Huonder später die Aussagen und meinte, es handle sich um ein Missverständnis. Da war es jedoch bereits geschehen. Eine Petition wurde lanciert, die sich in Form eines offenen Briefes an die Schweizer Bischofskonferenz richtet. Über 2000 Personen fordern diese darin auf, sich von Huonders Äusserungen zu distanzieren.
«Nächstenliebe steht im Vordergrund»
Nun fällt dem in Verruf gekommenen Bischof zudem ein Kollege in den Rücken. Markus Büchel, Bischof des Bistums St. Gallen, schrieb am Freitag einen Brief an die Seelsorgenden im Bistum St. Gallen. Dazu bewogen haben ihn offenbar zahlreiche Reaktionen auf Vitus Huonders Aussagen. Sie zeugten «von einer grossen Betroffenheit».
Bischof Büchel schreibt: «Unser heutiges Wissen um die Homosexualität als Anlage und nicht frei gewählte sexuelle Orientierung war zur Zeit der Bibel gar nicht bekannt.» Eine Person und ihre Beziehungen dürften nicht auf die Sexualität reduziert werden. In Jesu Botschaft stünden Zuneigung und Liebe zum Nächsten im Vordergrund. Solche Grundaussagen und Prinzipien seien auch der Schlüssel zur Interpretation und «zur Überführung von biblischen Aussagen in die jeweilige Zeit hinein».
Verantwortungsvoller Umgang mit Sexualität sei zentral
Für die Förderung des Wohls einer Person sei weniger die sexuelle Neigung entscheidend als vielmehr der verantwortungsvolle Umgang mit Sexualität und alle anderen Dimensionen einer Beziehung wie Achtsamkeit, Sorgfalt, Respekt oder Treue. «Freuen wir uns an jeder Beziehung, in der sich die Partner als gleichwertige, wertvolle, geliebte Kinder Gottes annehmen», schreibt Büchel.
Er sehe es als Aufgabe der heutigen Kirche, mit den Menschen einen Weg zu gehen, auf dem sie ihre Sexualität als Geschenk Gottes in ihr Leben und ihre Beziehungen integrieren könnten. Die Kirche müsse sich der historischen Lasten im Umgang mit der Homosexualität bewusst stellen und eine neue menschen- und sachgerechte Sprache finden. (SDA/lha)