Nach den Enthüllungen von «Football Leaks»
Bundesanwalt wegen Treffen mit Fifa-Boss unter Druck

Nach Berichten über die Fifa erhöhen Parlamentarier den Druck auf Michael Lauber. Grund sind seine Treffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino.
Publiziert: 04.11.2018 um 00:36 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2018 um 03:52 Uhr
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Traf Infantino: Bundesanwalt Lauber.
Foto: Keystone
Reza Rafi

Wer den Weltfussballverband beheimatet, muss mit dessen Risiken und Nebenwirkungen leben – das ­Fifa-Land Schweiz taucht regelmässig im Zusammenhang mit illegalen Zahlungen, unsympathischen Figuren und krummen Geschäften in den Schlagzeilen der Weltmedien auf.

Am Samstag war es wieder soweit. Unter dem Label «Football Leaks» enthüllte ein internationales Netzwerk, dem auch Tamedia angehört, pikante Details aus dem Sportverband. Sie bestätigen das Image von Fifa-Präsident Gianni Infantino (48) als autokratischem Herrscher über das Mil­liardenimperium. Die Fifa bestreitet die Vorwürfe.

Die Football Leaks werfen aber auch ein Schlaglicht auf den obersten Strafverfolger des Bundes: Sie zeigen auf, wie es dem Fussballboss dank seines Netzwerks gelang, Bundesanwalt Michael Lauber (52) zweimal zum Gespräch aufzubieten – in einer Phase notabene, in der Infantino höchst umstrittene Massnahmen zur internen Machtsicherung fällte und Laubers Behörde zwei Dutzend Ermittlungsverfahren gegen die Fifa aufgenommen hatte.

Am 22. März 2016 trifft Lauber den Fifa-Präsidenten im Berner Nobelhotel Schweizerhof. Mit dabei ist auch der Kommunika­tionschef der Bundesanwaltschaft (BA) André Marty – und Infantinos Vertrauter Rinaldo Arnold, seines Zeichens Walliser Oberstaatsanwalt und Präsident des FC Brig-Glis.

Einen Monat später, am 22. April, treffen sich Lauber und Infantino erneut, diesmal im ­Restaurant Au Premier im Hauptbahnhof Zürich.

Laut BA-Sprecher Marty handelt es sich bei den Meetings um eine «Standortbestimmung» der beiden; das zweite Treffen habe der «Klärung von verfahrensspezifischen Fragen» gedient.

Im Jahr darauf, im Mai 2017, setzt Infantino die Führung der unabhängigen Fifa-Ethikkommission um den Deutschen Hans-Joachim Eckert und den Schweizer Cornel Borbély ab.

Staatsanwalt dementiert Amtsmissbrauch

Eingefädelt wurden die Begegnungen zwischen Lauber und Infantino von Rinaldo Arnold. Beim ersten Mal, in Bern, war Arnold selber dabei. Der «Spiegel» wirft ihm Amtsmissbrauch vor, was dieser dementiert.

Was aber hatte Rinaldo in dieser Runde verloren? Laut André Marty ist dies unproblematisch, weil Arnold «keine Parteirechte in den Strafverfahren der Bundesanwaltschaft» habe; darum habe er «keinen Einfluss auf die Verfahrensführung».

Wie sich Chefermittler Lauber auf derart heiklem Terrain bewegt, weckt bei Parlamentariern Fragen nach der Unabhängigkeit der obersten eidgenössischen Strafverfolgungsbehörde. Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission (GPK) wollen Lauber deshalb vorladen.

«Das riecht nach Filz»

«Die Art und Weise, wie die Treffen zwischen Michael Lauber und Gianni Infantino zustande kamen, riecht nach Filz», sagt der Aargauer SVP-Nationalrat Luzi Stamm. Er ist Mitglied der entsprechenden Subkommission der GPK. «Aber auch die Verhaftung von Fifa-Funktionären im Hotel Baur au Lac in Zürich 2015 wirft Fragen auf, was die Unabhängigkeit der BA betrifft. Das könnte Aufgabe der GPK sein.»

Auch der Zürcher SP-Nationalrat Thomas Hardegger sieht Klärungsbedarf: «Ich werde ­diese Thematik in der GPK-Subkommission aufnehmen und Herrn Lauber entsprechende Fragen stellen.» Der langjährige Fifa-Kritiker und SP-Nationalrat Cédric Wermuth sieht sich durch Football Leaks bestätigt: «Ich werde Fragen an Bundesanwalt Lauber stellen.»

BA-Sprecher Marty betont, dass es «im Rahmen von umfangreichen Verfahrenskomplexen» durchaus zu einem direkten Austausch mit Verfahrensbeteiligten kommen könne.

Infantino im Kreuzfeuer

Es sind Tausende interne Dokumente, E-Mails und vertrauliche Sitzungsprotokolle, die illegal beschafft und dem «Spiegel» zugespielt wurden. Mithilfe von diesen geht das Nachrichtenmagazin zusammen mit seinem Recherche-Netzwerk auf Gianni Infantino (48) los und kommt zum Schluss: «Er ist nur der nächste Despot, der sich den Fussball untertan macht.»

SonntagsBlick fasst die Vorwürfe gegen den Fifa-Boss zusammen.

- Der Fall Paris SG. Als Generalsekretär der Uefa soll Infantino 2014 einen Deal mit Paris SG gemacht und die Regeln des sogenannten Financial Fair Plays (ein Klub darf nur ausgeben, was er einnimmt) ausgehebelt haben. Konkret wollte PSG-Boss Nasser al-Khelaifi 215 Millionen Euro pro Jahr in den Klub pumpen – und sollte dafür von Paris SG Dienstleistungen bekommen, die gemäss Experten nur 2,79 Millionen Euro wert waren.

Infantino verhandelte mit dem Scheich, suchte Kompromisse. Mehr Gegenleistungen für Katar, mehr Geld für PSG. Man fand sich bei 100 Millionen Euro pro Jahr. «Damit segnete er de facto ein Finanzdoping ab», schreibt der «Tages-Anzeiger». Die Fifa hält dagegen, der Uefa-Generalsekretär dürfe bei solchen Abmachungen assistieren, «um Lösungen zu finden».

- Der Charter-Vorwurf. Allein im Dezember 2017 sei Infantino fünf Mal mit einem Charter geflogen, schreibt der «Spiegel». Für 47000 Euro von Zürich nach Kuwait, für 58000 Euro von Genf über Riad nach Dubai.

- Der Ethik-Kodex-Vorwurf. In einem E-Mail vom 17. Dezember 2017 von Fifa-Richter Vassilios Skouris an Infantino steht: «Lieber Gianni, wie versprochen schicke ich dir den Entwurf des Kodex. (...)» Falls der Boss Anmerkungen habe, solle er diese schicken. Infantino schlägt bei zwölf Artikeln Änderungen vor. Ex-Fifa-Richter Hans-Joachim Eckert sieht darin einen «klaren Verstoss gegen den Kodex und die Statuten der Fifa». Der Weltverband meint, es sei für Infantino als erfahrenen Juristen «ganz natürlich», dass er mit Skouris einen solchen Austausch pflege.

- Der Super-Freundinnen-Vorwurf. 2017 werden der Schweizer Ermittler Cornel Borbély und Richter Eckert als Chefs der Ethikkommission abgesetzt. Ersetzt wird Borbély durch Maria Claudia Rojas, eine Verwaltungsrichterin aus Kolumbien.

Vorgeschlagen worden war sie durch den Chef des kolumbianischen Fussballverbands, der seinem Dachverband Conmebol schrieb, sie sei eine «Deluxe-Kandidatin», «fussballverrückt» und eine «Superamiga», eine Superfreundin von ihm.

Sie stellte allfällige Ermittlungen gegen Infantino sofort ein. Und war an der WM mit Kindern vor Ort. Eckert ätzt deswegen: «Ich wüsste nicht, was die Rechtfertigung für mich gewesen wäre, die ganze WM im Fifa-Hotel zu verbringen.»

Der Fifa stösst sauer auf, dass Eckert (Fifa-Gehalt lag bei 300000 US-Dollar pro Jahr) sich nun immer wieder äussert («Wir wurden gestoppt, weil wir unabhängig ermittelt haben – auch gegen Herrn Infantino selbst»). Der Standpunkt des Weltverbands: Eckert habe dem Treiben unter Sepp Blatter selbst lange zugeschaut und nicht eingegriffen.

- Die absurden Vorwürfe, Infantino grüsse nicht, wenn er Mitarbeiter im Gang sehe, und er rauche auf der Mitarbeiterbrücke, erzählen anonyme Quellen. «Büroklatsch», nennt es die Fifa, keine harten Fakten. Wie auch die Unterstellung, dass Infantino einen Audi Q7, einen Hyundai-Geländewagen und einen S-Klasse-Mercedes 500 fahre.

Nach SonntagsBlick-Informationen wollte Infantino den Mercedes zurückgeben, um den Wagen von Sponsor Hyundai zu fahren. Doch Fifa-interne Mitarbeiter stoppten die Rückgabe, da der Ausstieg aus dem Leasing-Vertrag die Fifa Geld gekostet hätte.

Das sagt die Fifa: Der Weltfussballverband spricht davon, dass die meisten ihrer «ehrlichen und offenen Antworten» auf mehrere Hundert Fragen vom Recherche-Desk «ignoriert» worden seien. Man habe nur das Ziel, «die neue Fifa-Führung um Infantino und Generalsekretärin Fatma Samoura zu untergraben». Die Fifa vermutet, dass frustrierte Ex-Mitarbeiter durch gezieltes Streuen falscher Gerüchte über Infantino hinter den Attacken stehen.

Infantino selbst sagt: «Ich war immer auf starke Opposition eingestellt, besonders von denen, die sich nicht mehr schamlos am System bedienen können, von dem sie Teil waren.»

Ruhiger wird es um ihn kaum werden. Im Juni 2019 steht die Wahl zum Fifa-Präsidenten an. Infantino wird wieder kandidieren.

Er geht bei den Mächtigen ein und aus: Gianni Infantino am 28. August dieses Jahres bei US-Präsident Trump im Weissen Haus.
Keystone

Es sind Tausende interne Dokumente, E-Mails und vertrauliche Sitzungsprotokolle, die illegal beschafft und dem «Spiegel» zugespielt wurden. Mithilfe von diesen geht das Nachrichtenmagazin zusammen mit seinem Recherche-Netzwerk auf Gianni Infantino (48) los und kommt zum Schluss: «Er ist nur der nächste Despot, der sich den Fussball untertan macht.»

SonntagsBlick fasst die Vorwürfe gegen den Fifa-Boss zusammen.

- Der Fall Paris SG. Als Generalsekretär der Uefa soll Infantino 2014 einen Deal mit Paris SG gemacht und die Regeln des sogenannten Financial Fair Plays (ein Klub darf nur ausgeben, was er einnimmt) ausgehebelt haben. Konkret wollte PSG-Boss Nasser al-Khelaifi 215 Millionen Euro pro Jahr in den Klub pumpen – und sollte dafür von Paris SG Dienstleistungen bekommen, die gemäss Experten nur 2,79 Millionen Euro wert waren.

Infantino verhandelte mit dem Scheich, suchte Kompromisse. Mehr Gegenleistungen für Katar, mehr Geld für PSG. Man fand sich bei 100 Millionen Euro pro Jahr. «Damit segnete er de facto ein Finanzdoping ab», schreibt der «Tages-Anzeiger». Die Fifa hält dagegen, der Uefa-Generalsekretär dürfe bei solchen Abmachungen assistieren, «um Lösungen zu finden».

- Der Charter-Vorwurf. Allein im Dezember 2017 sei Infantino fünf Mal mit einem Charter geflogen, schreibt der «Spiegel». Für 47000 Euro von Zürich nach Kuwait, für 58000 Euro von Genf über Riad nach Dubai.

- Der Ethik-Kodex-Vorwurf. In einem E-Mail vom 17. Dezember 2017 von Fifa-Richter Vassilios Skouris an Infantino steht: «Lieber Gianni, wie versprochen schicke ich dir den Entwurf des Kodex. (...)» Falls der Boss Anmerkungen habe, solle er diese schicken. Infantino schlägt bei zwölf Artikeln Änderungen vor. Ex-Fifa-Richter Hans-Joachim Eckert sieht darin einen «klaren Verstoss gegen den Kodex und die Statuten der Fifa». Der Weltverband meint, es sei für Infantino als erfahrenen Juristen «ganz natürlich», dass er mit Skouris einen solchen Austausch pflege.

- Der Super-Freundinnen-Vorwurf. 2017 werden der Schweizer Ermittler Cornel Borbély und Richter Eckert als Chefs der Ethikkommission abgesetzt. Ersetzt wird Borbély durch Maria Claudia Rojas, eine Verwaltungsrichterin aus Kolumbien.

Vorgeschlagen worden war sie durch den Chef des kolumbianischen Fussballverbands, der seinem Dachverband Conmebol schrieb, sie sei eine «Deluxe-Kandidatin», «fussballverrückt» und eine «Superamiga», eine Superfreundin von ihm.

Sie stellte allfällige Ermittlungen gegen Infantino sofort ein. Und war an der WM mit Kindern vor Ort. Eckert ätzt deswegen: «Ich wüsste nicht, was die Rechtfertigung für mich gewesen wäre, die ganze WM im Fifa-Hotel zu verbringen.»

Der Fifa stösst sauer auf, dass Eckert (Fifa-Gehalt lag bei 300000 US-Dollar pro Jahr) sich nun immer wieder äussert («Wir wurden gestoppt, weil wir unabhängig ermittelt haben – auch gegen Herrn Infantino selbst»). Der Standpunkt des Weltverbands: Eckert habe dem Treiben unter Sepp Blatter selbst lange zugeschaut und nicht eingegriffen.

- Die absurden Vorwürfe, Infantino grüsse nicht, wenn er Mitarbeiter im Gang sehe, und er rauche auf der Mitarbeiterbrücke, erzählen anonyme Quellen. «Büroklatsch», nennt es die Fifa, keine harten Fakten. Wie auch die Unterstellung, dass Infantino einen Audi Q7, einen Hyundai-Geländewagen und einen S-Klasse-Mercedes 500 fahre.

Nach SonntagsBlick-Informationen wollte Infantino den Mercedes zurückgeben, um den Wagen von Sponsor Hyundai zu fahren. Doch Fifa-interne Mitarbeiter stoppten die Rückgabe, da der Ausstieg aus dem Leasing-Vertrag die Fifa Geld gekostet hätte.

Das sagt die Fifa: Der Weltfussballverband spricht davon, dass die meisten ihrer «ehrlichen und offenen Antworten» auf mehrere Hundert Fragen vom Recherche-Desk «ignoriert» worden seien. Man habe nur das Ziel, «die neue Fifa-Führung um Infantino und Generalsekretärin Fatma Samoura zu untergraben». Die Fifa vermutet, dass frustrierte Ex-Mitarbeiter durch gezieltes Streuen falscher Gerüchte über Infantino hinter den Attacken stehen.

Infantino selbst sagt: «Ich war immer auf starke Opposition eingestellt, besonders von denen, die sich nicht mehr schamlos am System bedienen können, von dem sie Teil waren.»

Ruhiger wird es um ihn kaum werden. Im Juni 2019 steht die Wahl zum Fifa-Präsidenten an. Infantino wird wieder kandidieren.

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