Am ersten Tag des Paketbomben-Prozesses sagte Jeton L. (41), er habe nicht beabsichtigt, eine Handgranate in der Redaktion der kosovo-albanischen Zeitung «Bota sot» explodieren zu lassen. Die forensischen Berichte zeigen aber, dass der Zünder nur durch Zufall nicht betätigt wurde.
Wäre der Deckel des an jeder Poststelle erhältlichen PostPacs, das am 27. September 2002 bei der «Bota sot»-Redaktion in Zürich eintraf, normal geöffnet worden, hätte dies den Tod mehrerer Menschen zur Folge gehabt (BLICK berichtete). Durch das Anheben des Deckels wäre der an einem Draht befestigte Abzugsring der Splitterhandgranate betätigt worden.
Bombe «aus emotionaler Betroffenheit» gebaut
Dem 41-Jährigen, gegen den der Prozess vor Bundesstrafgericht am Mittwoch begonnen hat, wird mehrfacher versuchter Mord und Widerhandlung gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Bei der Hausdurchsuchung wurde bei ihm eine Pistole gefunden, die in der Sowjetunion entwickelt und gebaut wurde. Auch Munition fand die Polizei. Beides habe er beim Abbruch des alten Hauses gefunden, sagte der Angeklagte. Er habe die Absicht gehabt, diese zur Polizei zu bringen.
Ein Angestellter der Stadtpolizei Zürich bestätigte vor dem Bundesstrafgericht, dass die Handgranate russischer Herkunft funktionstüchtig war. Der zivile Angestellte hatte die Paketbombe am 28. September 2002 entschärft. Der Bruder des Herausgebers und Chefredaktors der «Bota sot» hatte das Paket seitlich geöffnet, weshalb der Zündmechanismus nicht betätigt wurde.
Der 41-jährige Angeklagte will die Bombe aus emotionaler Betroffenheit gebaut und an die Redaktion geschickt haben. Zuvor habe er einen Dokumentarfilm über die Massaker an der zivilen Bevölkerung im Kosovo gesehen. Er bekräftigte vor Gericht, dass er sich vergewissert habe, dass sie nicht zünden werde. Sie sollte lediglich ein «Denkzettel» sein.
«Handelte alleine und ohne Hilfe»
Gebaut haben will der mazedonisch-schweizerische Doppelbürger die Bombe alleine und ohne Hilfe. Er habe noch einen Kämpfer aus seiner Zeit bei der Befreiungsarmee des Kosovo UCK kontaktiert. Dieser habe bestätigt, dass nichts passieren könne.
Der Chefredaktor bezweifelte in seiner Befragung vor Bundesstrafgericht, dass der 41-Jährige alleine gehandelt hat. Zahlreiche Drohungen gegen die «Bota sot» und ihre Mitarbeiter seien vor den Ereignissen im September 2002 bei der Redaktion eingegangen, sagte er.
Diese seien auch aus Geheimdienstkreisen und aus der Ecke der heutigen Führungsclique um frühere UCK-Kämpfer gekommen. Auch auf die explizite Frage des Gerichts hin, ob er alleine gehandelt habe, bekräftigte der Angeklagte, ein Einzeltäter zu sein.
Erst 15 Jahren nach der Tat verhaftet
Ein DNA-Abgleich führte fast 15 Jahre nach der Tat zum Angeklagten. Im Dezember 2016 wurde beim Angeklagten eine DNA-Probe genommen. Er war an einer Schlägerei vor einem Zürcher Tanzlokal beteiligt gewesen.
Am 31. Januar 2017 nahm ihn die Polizei an seinem Arbeitsort fest. Er befindet sich seit dem 26. Mai im vorzeitigen Strafvollzug im Flughafengefängnis Zürich.
Die für die Paketbombe verwendete Handgranate erhielt der Angeklagte in Mazedonien, wie der 41-Jährige bestätigte. Die Granate soll ein Geschenk für den mehrmonatigen Einsatz des Angeklagten bei der Befreiungsarmee des Kosovo UCK im Jahr 2001 gewesen sein.
Der Angeklagte soll die Granate Ende Juni 2001 in seinem Auto über die Grenze in Chiasso TI in die Schweiz eingeführt haben. Zunächst hat er sie in der Vitrine in seinem Wohnzimmer ausgestellt, wie er im Prozess sagte.
Morgen Donnerstag wird der Prozess mit den Plädoyers der Bundesanwaltschaft, der Verteidigung und der Vertreterin des Chefredaktors und Privatklägers fortgeführt. Das Urteil wird am 20. September eröffnet. (SDA)
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