Um den Schmerz erträglicher zu machen, greift der an Multiple Sklerose (MS) erkrankte Daniel P. auf ein Hilfsmittel zurück: Cannnabis. «Wenn ich einen Joint rauche, nehme ich den Schmerz nicht mehr wahr», sagt Daniel.
Daniels Hausarzt weiss Bescheid über seinen Cannabis-Konsum und hat ihm deshalb ein Schreiben mitgegeben. Darauf steht: «Daniel P. hat mir mitgeteilt, dass er aufgrund seiner schmerzhaften Muskelverspannungen, welche auch in meiner Untersuchung immer wieder aufgetreten sind, auf recht regelmässiger Basis einen Joint zu sich nehme. Sollte er in eine entsprechende polizeiliche Kontrolle geraten, so bitte ich höflich, diesen Aspekt zu berücksichtigen.»
Als Daniel mit 16 Jahren eine Anlehre zum Bauer machte, rechnete er nicht damit, dass er nur zwei Jahre später mit einer schwerwiegenden Krankheit zu kämpfen haben wird — Multiple Sklerose (MS). MS ist eine entzündliche Erkrankung des Nervensystems und verläuft je nach Mensch unterschiedlich. «Ich liebte die Arbeit mit den Tieren und das Traktor fahren. Es gefiel mir sehr», sagt Daniel.
Wirkung von Cannabis bewiesen
Mittlerweile ist Daniel 26 Jahre alt und braucht einen Rollator. Die Krankheit ist soweit fortgeschritten, dass er Probleme mit dem Gleichgewicht hat und daher mehrmals täglich zu Boden stürzt. «Ich nehme das jedoch mit Humor», sagt Daniel. Weil er so stark zittert, kann er nicht mehr ohne Hilfe essen und erhält eine IV-Rente.
Das Cannabis den meisten MS-Betroffenen hilft, ist bekannt und wurde schon in mehreren Studien, unter anderem auch von Claude Vaney, Chefarzt der Berner Klinik Montana und Vize-Präsident der Multiple Sklerose Vereinigung Schweiz, belegt. Sein Fazit: «Bei einem Drittel der Patienten zeigen sich weniger Muskelspasmen, ein besserer Schlaf und ein Gewinn an Mobilität.»
Kein natürliches Hanf dafür teure Medikamente
In der Schweiz dürfen Ärzte zwar kein natürliches Hanf an Betroffene verschreiben, dafür werden teure Medikamente, mit den Wirkstoffen Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol und meist nur mit Sonderbewilligung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) verschrieben.
Diese Cannabis-Medikamente, wie zum Beispiel das Spray Sativex, kosten 250 bis 350 Franken pro Monat je nach Dosis — ein hoher Betrag für viele MS-Kranke die von einer IV-Rente leben.
Das Medikament wird nicht durchwegs von den Krankenkassen bezahlt. Einige MS-Kranke beschaffen sich deshalb Cannabis und machen sich dadurch strafbar. «Es ist keine Lösung, dass sich ein MS-Betroffener wegen finanziellen Aspekten strafbar macht, nur um seine Schmerzen zu lindern», sagt Vaney. «Bei einer kontrollierten Abgabe wüsste der Konsument auch welche Inhaltsstoffe im Cannabis enthalten sind und gleichzeitig könnte der Staat noch Geld damit verdienen», sagt Vaney.
Politischer Vorstoss eingereicht
Nationalrätin Margrit Kessler (GLP) hat das Problem erkannt und eine Motion im Februar eingereicht. Sie findet die momentane Gesetzeslage für die medizinische Cannabis-Abgabe menschenunwürdig: «Ich weiss von Fällen, wo Enkel ihren Grosseltern illegal Hanf besorgen. Und das nur, weil die Hürden so hoch sind um ein Cannabis-Medikament gegen die Schmerzen zu erhalten», sagt Kessler. Ihre Motion für die Abgabe von Cannabis an Schwererkrankten ist im Nationalrat angenommen worden. Nun muss nur noch der Ständerat zustimmen.
Aufgrund seines Zitterns hat Daniel P. eine spezielle Methode entwickelt, wie er zu seinen Joints kommt: «Ich habe meiner Mutter beigebracht wie man einen Joint dreht, ausserdem habe ich auch eine Stopf-Maschine.»
Bisher kam das Arztzeugnis von Daniel noch nie zum Einsatz. «Ich kann mich nur schwer bewegen, daher bin ich auch selten draussen unterwegs.» Daniel hofft, dass sich schnell etwas in der Gesetzeslage ändern wird: «Ich weiss, dass mir Cannabis hilft, die Schmerzen erträglicher zu machen, weshalb werde ich also dafür bestraft?»