Moritz Gubler forscht gegen Hitzestress
Für den Hitzeforscher ist der heisse Sommer ein Segen

Seit Tagen verharrt das Thermometer tagsüber auf mehr als 30 Grad – und es sinkt auch nachts nicht unter 20 Grad. Hitzeforscher Moritz Gubler sucht nach Strategien, wie sich Städte gegen den Hitzestress wappnen können.
Publiziert: 04.08.2018 um 19:59 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 19:00 Uhr
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Der Klimaforscher Moritz Gubler (27), heir auf dem Bundesplatz in Bern, erforschte für seine Doktorarbeit die Temperaturunterschiede zwischen Stadt und Land.
Foto: Peter Gerber
Christian Maurer

Die aktuelle Hitzewelle hat die Schweiz fest im Griff. Die Tagestemperaturen steigen auf 35 Grad und mehr. Und es wird noch schlimmer: Heisse Luftmassen bewegen sich von Spanien nach Europa – nächste Woche könnte es im Mittelland deshalb gar 37 Grad geben! Besonders in den Städten wirds unangenehm, wenn es in der Nacht kaum mehr abkühlt – Tropennächte mit durchgehend mindestens 20 Grad sind jetzt die Regel, nicht die Ausnahme. 

Das wird auch so bleiben, sind Klimaforscher überzeugt. «Sommer, wie wir ihn jetzt gerade erleben, wirds in 50 Jahren regelmässig geben, alle zwei bis drei Jahre», sagt der Klimatologe Moritz Gubler (27). «Vielleicht wird es dann auch in Mitteleuropa normal, nach dem Mittag Siesta zu halten.»

Den Hitzeforscher freuen hohe Temperaturen

Für den Hitzeforscher ist der heisse Sommer ein Segen: Er erforscht für seine Doktorarbeit die Temperaturunterschiede zwischen Stadt und Land, damit die Städtebauer heute schon auf die zunehmende Hitze von morgen reagieren können. «Dieses Wetter ist ein absoluter Glücksfall für mich, es herrschen perfekte Bedingungen für meine Messungen», freut sich Gubler.

«Unsere erste Analyse zeigt, dass es den sogenannten städtischen Wärmeinseleffekt tatsächlich gibt, und das Ausmass hat uns überrascht», sagt Gubler. «In der Nacht kann der Temperaturunterschied zwischen der Stadt und dem Umland vier Grad Celsius betragen. So etwa in der Nacht auf den 1. August zwischen dem Bundesplatz in Bern und Zollikofen (gut sechs Kilometer entfernt; Anm. d. Red.). Auch innerhalb der Stadt haben wir Temperaturunterschiede von bis zu 3,8 Grad gemessen, zum Beispiel zwischen dem Bahnhofplatz und dem Familiengarten Schlossgut.»

Alle zehn Minuten misst der Sensor die Temperatur

Für seine Dissertation über die urbane Klima-Entwicklung hat er mit der Gruppe Klimatologie des Geographischen Instituts der Universität Bern und der Wetterprognosefirma Meteotest ein dichtes Netzwerk von 84 Messgeräten in der Stadt Bern und Umgebung aufgestellt. Das Messnetz ist über verschiedenste urbane Strukturen, Vegetationstypen, Infrastrukturen und topografische Gegebenheiten verteilt. Die Sensoren messen seit Mai alle zehn Minuten die Lufttemperatur. Sie sind noch bis im September in Betrieb.

Diese Erkenntnis aus den Messungen kann aktuellen oder künftigen Projekten zur Stadtentwicklung oder Bauvorhaben dienen. Es lassen sich städtische Klimamodelle auf einer Mikroskala berechnen, die dazu beitragen können, den städtischen Hitzestress zu lindern. Solche Massnahmen können eine Begrünung sein, die Erhaltung von Frischluftschneisen oder reflektierende Baumaterialien.

Richtig bauen

«Wir können zum Beispiel neue Überbauungen, wie etwa das Viererfeld in Bern, besser auf die Hitze ausrichten», erklärt der Hitzeforscher. «Konkret indem Häuser so gestellt werden, dass sie die Windrichtung nicht verstellen und den nächtlichen Abkühlungsluftzug nicht blockieren. Oder indem zwischen den Häusern statt Betonplätzen Kiesplätze angelegt werden, die sich weniger aufheizen. Oder auch indem Rasenflächen und Bäume gepflanzt werden.»

Auch Springbrunnen wie auf dem Bundesplatz in Bern können Abkühlung bringen. Aber nur punktuell. «Sie werden keine Lösung sein, denn Wasser wird auch immer kostbarer werden», warnt Gubler.

Daten für Kosten-Nutzen-Analyse

Der grösste Wert von Gublers Projekt liegt allerdings in der Kosten-Nutzen-Analyse. «Wir können berechnen, wie gross der Effekt solcher Massnahmen im Verhältnis zu den Kosten ist. Damit wir nicht Steuermillionen für nichts versenken.» Als Beispiel nennt er die Berner Quartiere an der Aare: «Dort bringts wahrscheinlich nicht viel, an den Gebäuden an der Aare herumzubauen, dort kühlt schon der Fluss die Luft ab.»

Hohe Temperaturen wie jetzt sind auch eine ernsthafte Bedrohung für die menschliche Gesundheit, sagt Gubler. Zumal das Durchschnittsalter der Schweizerinnen und Schweizer steigt und alte Menschen mehr unter dem Hitzestress leiden als junge. Zudem sind auch immer mehr Menschen von der stickigen Stadthitze betroffen: «85 Prozent der Schweizer Bevölkerung leben mittlerweile im urbanen Raum.»

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