Die Augen von Gisela S.* (84) aus Zofingen AG sind wässrig. Vor ihr liegt ein Stapel Briefe. Sie sind von ihrem Sohn Adrian S.* (50), der ihr verzweifelt aus einem Knast in der Westschweiz schreibt. Dort sitzt der Schreibmaschinenmechaniker wegen seiner Tat vom 19. Juli 2014.
Damals hatte Adrian S. mit seiner Mutter Streit, weil er Frauen im Internet gesucht hatte. Mit 1,39 Promille Alkohol im Blut griff er sie mit einem Samurai-Schwert an, verletzte sie. Dafür wurde er im Mai 2015 wegen versuchter vorsätzlicher Tötung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt (BLICK berichtete).
Strafe zugunsten Massnahme aufgeschoben
«Das Problem ist», so Gisela S. heute, «dass die drei Jahre Gefängnis damals zugunsten einer Massnahme aufgeschoben wurden – wegen seines Alkoholproblems.» Das heisst: Solange die Therapie im Knast nicht fruchtet – und dies tut sie laut Adrian auch nicht –, kommt er nicht frei. Auch wenn er faktisch die drei Jahre bereits abgesessen hat. «Es ist möglich, dass er so lange einsitzen muss, bis er geheilt ist», so die Mutter. Sicher ist nur: Die drei Jahre muss er in diesem Fall nicht mehr absitzen.
«Nur», so Gisela S. weiter, «in den Briefen, die Adrian mir schrieb, klagt er darüber, dass er gar keine richtige Therapie erhält.»
Adrian S. hat auch BLICK angeschrieben – und wettert: «Wenn eine Strafe zugunsten einer Massnahme aufgeschoben wird, dann ist es wirklich zugunsten der Massnahme und nicht zugunsten des Eingewiesenen. Die Sozialfabriken, die diese vollziehen, verdienen sich eine diamantene Nase.»
Angst vor Verlängerung der Massnahme
Seiner Mutter schreibt Adrian S. zudem, dass er Angst habe, dass seine Massnahme noch jahrelang verlängert und bei einer Freilassung dann die Kesb auf ihn «gehetzt» werde. Dennoch will Adrian S. versuchen, bei der Therapie mitzumachen. «Geht ja auch nicht anders», schreibt er resigniert.
Für seine Mutter sind es Hilfeschreie. «Ich habe Adrian schon lange verziehen», so Gisela S. «Lasst ihn raus!» Ihr einziger Sohn sei kein Mörder, denn: «Wenn er hätte töten wollen, hätte er es längst getan.»
* Name der Redaktion bekannt