Kris V.* (25) brachte 2009 als Minderjähriger in Sessa TI die 17-jährige Vietnamesin Boi um. Er erschlug das Mädchen mit einem Holzscheit. Und das nur, weil sie ihn nervte und zu viel geredet habe! Erst 10 Monate später wurde das Verbrechen aufgeklärt. Ein Wanderer fand die Knochen von Boi im Juni 2010 im Wald.
Das Jugendgericht Baden verurteilte Kris V. 2013 zur Höchststrafe im Jugendrecht: Freiheitsentzug von vier Jahren und anschliessende geschlossene Unterbringung.
Jetzt ist der Aargauer wieder auf freiem Fuss! Das Bezirksgericht Baden hat die fürsorgerische Unterbringung von Kris V. aufgehoben.
«Nur noch geringes Gefährdungsrisiko»
Das Familiengericht des Bezirksgerichts begründet seinen Entscheid mit den «von Kris V. erzielten Therapiefortschritten und dem ihm jetzt attestierten nur noch geringen Gefährdungsrisiko gegenüber Dritten», wie es in einer Mitteilung vom Freitag heisst.
Die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Unterbringung seien damit nicht mehr gegeben. Er wurde bereits aus der Justizvollzugsanstalt entlassen, wie Nicole Payllier, Leiterin Kommunikation der Gerichte Kanton Aargau, gegenüber BLICK sagt.
Dies allerdings unter strengen Auflagen: Die engen Nachbetreuung beinhaltet eine psychotherapeutische Behandlung, die Kris V. fortführen muss. Zudem wird er durch einen Beistand eng begleitet. Wie viele Gutachter zum Schluss kommen mussten, dass nur noch ein «geringes» Risiko von Kris V. ausgeht, kann Payllier nicht preisgeben, denn von Gesetzes wegen ist der Fall als familienrechtliches Verfahrens nicht öffentlich.
Mutter verhalf ihm vor zwei Jahren zur Flucht
Die Fachleute sprachen vor zwei Jahren allerdings noch ganz anders vom Täter. Im Jahr 2016 musste sich das Verwaltungsgericht mit dem Fall beschäftigen. Dieses kam gestützt auf ein psychiatrisches Gutachten zum Schluss, dass die Voraussetzungen für die fürsorgerische Unterbringung noch gegeben waren. Der Gutachter attestierte Kris V. damals eine schwere psychische Störung, die mittels intensiver, langfristiger Psychotherapie zu behandeln sei.
Ende Mai 2016 brach Kris V. aus der psychiatrischen Klinik in Königsfelden AG aus – eine Woche später wurde er in Deutschland verhaftet. Seine Mutter hatte ihm einen Seitenschneider und ein Nylonseil auf dem Gelände der Klinik deponiert – und ihn dann mit dem Auto an die Schweizer Grenze gefahren. Die Mutter wurde später wegen Fluchthilfe verurteilt.
Politiker fordert: Ab 15-jährig soll Erwachsenenstrafrecht gelten
SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner (64) schockt die Nachricht von Kris V.'s Freilassung. «Das ist skandalös, eine Katastrophe! Solche Leute dürften eigentlich nie mehr freikommen», schimpft er. «Der hat mit 16 Jahren ein Menschenleben ausgelöscht – und in diesem Alter weiss man schon, was man tut.»
Er fordert: «Ab 15 Jahren sollte bei Delikten dieser Schwere das Erwachsenenstrafrecht angewendet werden dürfen.» Und im Jugendstrafrecht solle man seiner Meinung nach die höchstmöglich Freiheitsstrafe verlängern. Zudem müsse auch bei Jugendlichen eine Verwahrung ausgesprochen werden können, so Giezendanner.
Er verstehe nicht, wie der junge Mann vor zwei Jahren noch als Rückfallgefährdet gelten konnte und heute nicht mehr. «Das kann ich logisch nicht nachvollziehen», sagt der SVP-Nationalrat. Er findet, dass die Fachleute, die Kris V. eine geringe Gefährlichkeit attestierten, mindestens moralisch verantwortlich sind, sollte er nochmals zuschlagen. Giezendanner: «Juristisch kann man sie ja nicht zur Verantwortung ziehen – aber auch das sollte man ändern.» (noo/ct)
* Name bekannt