Brigitte Flöer (45) zwängt sich mühsam in ihren Rollstuhl. «Ich habe kaum Platz darin, es schmerzt», sagt die Kosmetikerin. Gerne würde sie einen neuen kaufen. Doch ihre Unfallversicherung zahlt nicht.
Vor fünf Jahren hat Flöer im Aargau einen Verkehrsunfall. Sie sitzt auf dem Beifahrersitz, als ihre Kollegin bei Rot über eine Kreuzung fährt. «Ein Wagen rammte uns, ich schleuderte trotzt Gurt herum, prallte vorne auf.» Flöer klagt über Nackenschmerzen, scheint sonst gesund.
Nach Treppensturz im Spital
Doch mit der Zeit setzen Beschwerden ein: Schwindel, Kopfschmerzen, starke Gleichgewichtsstörungen. Dann auch Lähmungserscheinungen in den Beinen. «Wegen diesen stürzte ich zuhause die Treppe runter. Und konnte danach gar nicht mehr aufstehen.» Ihr Mann bringt Flöer ins Spital.
Der schlimme Verdacht: Ein schweres Schleudertrauma, also einer Verletzung der Halswirbelsäule. Doch diese ist mit einfachen Röntgenbildern nicht nachweisbar. «Die Ärzte untersuchten mich und sagten dann, ich sei medizinisch gesehen gesund. Sie schickten mich einfach nach Hause.»
Rollstuhl, Treppenlift, Rampen zur Haustür
Die Kosmetikerin geht mehrere Monate in Therapie. Sie versucht alles, um wieder aufzustehen. Doch es geht nicht. Flöer muss ihr Leben umstellen. Sie braucht einen Treppenlift, Rampen zum Hauseingang. «Und einen grösseren Rollstuhl als der, den meine Kollegin aufgetrieben hat.» Dafür beantragt sie Hilfe bei der SUVA.
Diese gibt ein Gutachten in Auftrag. Der Befund: Flöer leidet unter einer Paraplegie, die durch die Beschädigung der entsprechenden Hirnnerven verursacht wird. Ihr würde also Geld zustehen. Doch die SUVA setzt einen zweiten Experten ein. Dieser kippt die Ergebnisse des ersten Gutachtens einfach aus der Beurteilung.
Bis vor Bundesgericht
Nach Protesten von Flöer bis vor Bundesgericht kommt ein dritter Gutachter zum Einsatz. Dieser wiederum kommt zum Schluss, der Verkehrsunfall sei nicht so schwer gewesen, wie ursprünglich angenommen. Die Psyche oder andere Gründe seien für die Lähmungen verantwortlich. Also nicht der Unfall – die Suva muss nicht bezahlen.
«Leider überrascht mich dieser Fall nicht», sagt Rechtsanwältin Caroline Bono (52). «Diese Gutachter werden von den Versicherungen bezahlt. Es ist nur logisch, dass sie oft Expertisen schreiben, die im Sinne der Versicherung sind. Nur so kommen sie auch in Zukunft wieder an Aufträge.»
Schleudertrauma schwierig nachzuweisen
Gerade Schleudertrauma-Patienten hätten es schwer. «Weil die Verletzungen nicht einfach mit einem Röntgenbild nachzuweisen sind.» Es gebe Untersuchungsverfahren, um eindeutig festzustellen, ob jemand simuliert oder tatsächlich verletzt ist. «Im Ausland sind diese anerkannt - in der Schweiz aber nicht.»
Brigitte Flöer kämpft mit ihrem Anwalt weiter. Nicht nur wegen dem Geld. «Ich habe seit dem Unfall schon sehr gelitten. Dass andere behaupten, ich sei eigentlich gar nicht verletzt, macht es noch viel schlimmer.» Mit einem Crowdfunding möchte sie nun Geld sammeln. Um zumindest einen passenden Rollstuhl und die notwendige Hirntherapie bezahlen zu können.
«Der geschilderte Fall ist noch nicht abgeschlossen», sagt Suva-Sprecher Serkan Isik. «Da es sich um ein laufendes Einspracheverfahren handelt, können wir keine Auskunft erteilen.»