Der Nebel hängt tief über Rupperswil AG an diesem düsteren Freitag. Als die ersten Trauergäste gegen 13 Uhr die reformierte Kirche erreichen, fängt es zu regnen an. Rund 650 Menschen sind gekommen, um Abschied zu nehmen von Carla Schauer (†48) und ihren Söhnen Dion (†19) und Davin (†13), die am 21. Dezember in ihrem Haus brutal ermordet wurden.
250 Sitzplätze hat die Kirche, alle sind reserviert. Für Angehörige, Arbeitskollegen, Schulkameraden und Freunde. Als Pfarrer Christian Bühler (54) um 14.05 Uhr zum Spiel der Orgel die Kanzel besteigt, drängen sich mehr als 300 Leute in der Kirche. Nur die erste Reihe bleibt leer: Die Eltern von Carla und ihr Freund kamen nicht zur Trauerfeier. «Sie schaffen es nicht», sagt der Pfarrer. Rund 350 Trauergäste haben sich im Gemeinderaum nebenan eingefunden, sie verfolgen den Gottesdienst per Videoübertragung.
Es herrscht bedrückende Stille, als Bühler im schwarzen Talar seine ersten Worte an die Gemeinde richtet. Doch schon nach wenigen Minuten beginnen die Ersten zu schluchzen. «Es ist, als wäre ein Meteorit auf die Erde zugerast und hätte nur dieses Haus getroffen», versucht der Geistliche das Unbegreifliche zu beschreiben. «Hier ist kein Engel gekommen.»
Auch Gemeindeammann Rudolf Hediger drückt die Verzweiflung der Einwohner aus: «Wir alle sind erschüttert über die Gräueltat. Was in unserem schönen, beschaulichen und immer noch ländlichen Dorf passiert ist, regt zum Nachdenken an.»
Auch die Schulkameraden von Davin sind gekommen. Viele von ihnen haben sich extra T-Shirts anfertigen lassen. «Davin» steht in Grossbuchstaben darauf. Zum Abschied legen die Schüler herzförmige Steine vor dem Altar nieder. «Schaut die Steine an», sagt Christian Bühler dazu und erinnert an seine Meteoriten-Metapher, «doch das Schwarze, Leere in unserer Mitte ist nicht die Wahrheit. Wahr ist, was wir im Herzen tragen.»
Eine Wahrheit löst bei manchen ein kurzes Lächeln aus. «Das Wichtigste in Carlas Leben waren ihre Kinder», zitiert der Pfarrer aus einem Brief, den Arbeitskollegen zum Abschied ihrer langjährigen Mitarbeiterin geschrieben haben. Auch der ältere Sohn Dion, der im selben Unternehmen seine Lehre machte, war bei den Kollegen beliebt. «Man konnte ihm gar nicht böse sein», liest Bühler vor.
Als zum Abschied Adeles Song «Hello» ertönt, liegen sich die Trauernden in den Armen. Sie versuchen, sich zu trösten und gegenseitig Halt zu geben. Die Tickets für das Konzert im Sommer hatte Carla Schauer schon gekauft.
Nach eineinhalb Stunden ist der bewegende Gottesdienst vorbei. Als die Gemeinde die Kirche verlässt, fliegen 60 rote Ballons zum Himmel. Zwillingsschwestern (33) aus dem Dorf liessen sie steigen, um ihre Anteilnahme auszudrücken.
Auch heute sind die Gedanken der Angehörigen wieder bei den Opfern: Um 14 Uhr findet in Hunzenschwil AG die Trauerfeier für das vierte Opfer, die Freundin des älteren Sohnes Dion, statt. Dafür hat sich die Familie von Simona F.* (†21) etwas Besonderes überlegt. Statt Trauerkleidung sollen die Gäste Sneakers tragen – die Turnschuhe habe ihre Tochter so geliebt.
* Name der Redaktion bekannt