Janosch* starb viel zu früh: Am 26. Juli 2010 stirbt der acht Wochen alte Säugling in der Wohnung des jungen Paars in Breitenbach SO. Jetzt, zehn Jahre später, kommt es zum Prozess.
Die Staatsanwaltschaft Solothurn klagt Nicolas N.* (34) unter anderem wegen vorsätzlicher Tötung und mehrfacher versuchter vorsätzlicher Tötung an. N. soll Janosch im Laufgitter mit einem unbekannten Gegenstand die Atemwege abgedeckt und damit erstickt haben. Zudem soll geklärt werden, warum Janoschs Schwester mit acht Wochen ein Schütteltrauma erlitt. Auch die Mutter stand damals unter Tatverdacht, später wurde das Verfahren gegen sie eingestellt.
«Ihre Augen waren ein bisschen komisch»
Am zweiten Prozesstag kam die Mutter von Nicolas N. zu Wort. Es gehe ihr «schlecht», antwortet sie auf die Fragen des Gerichts. «Vorher war mein Puls weit oben. Ich dachte, es wird mir schwarz vor den Augen.» Was denkt sie, wer für den Tod des Enkels verantwortlich ist? «Das weiss ich nicht.» Weiss sie, wer die Enkelin geschüttelt hat? «Nein.»
Sie habe Janosch oft gesehen, so die Grossmutter weiter. Er habe manchmal geweint. Sie habe auch mal einen blauen Flecken auf seiner Backe entdeckt. Die Schwiegertochter habe ihr dazu gesagt, dass der Bub «nachts mit den Nuggi auf dem Gesicht gelegen» sei. «Für mich war das schwer nachvollziehbar», sagt die Grossmutter.
Vater von Janosch hat keinen Kontakt zu seiner Tochter
Die Verteidigerin des Beschuldigten fragt, ob sie ihrem Sohn zutraut, den Kindern etwas angetan zu haben? «Nein, auf gar keinen Fall. Niemals würde er das tun.» Er habe den ganzen Tag gearbeitet und habe am Abend Freude an den Kindern gehabt. Beide Eltern seien nicht überfordert gewesen mit den Kindern.
Heute gehe es ihrem Sohn nicht gut. Er sei meist zu Hause. «Er hat nur noch mit mir Kontakt», sagt sie – und weint hemmungslos. Auch mit seiner Tochter habe er keinen Kontakt mehr. «Sie hasst ihn, das hat sie ihm mal geschrieben.» Sie selber habe ihre Enkelin acht Jahre nicht mehr gesehen
Danach spricht die Schwiegermutter des Angeklagten. Sie könne nicht sagen, wer für den Tod des Buben verantwortlich ist. Die Gerichtspräsidentin erwähnt, dass in den Akten stehe, dass sie ihren Schwiegersohn mal als «Mörder» bezeichnete und gesagt habe, dass er «ins Gefängnis» gehöre. «Es ist möglich, dass ich mal in einem Gespräch mit meiner Tochter gefragt habe, ob sie es war», so die Schwiegermutter. «Es ist möglich, das ich dann gesagt habe: ‹Wenn sie es nicht war, dann müsse es ja er gewesen sein›.»
Allerdings habe sie ihn als «ganz normal» mit den Kindern erlebt. Janosch habe in ihrer Anwesenheit nie gewimmert oder geweint. «Ich habe eher festgestellt, dass er ein Ruhiger war», so die Schwiegermutter des Angeklagten.
Plötzlicher Kindstod ist «ausgeschlossen»
Vor der Mittagspause wird ein Sachverständiger befragt, der laut eigenen Angaben schon 50 Säuglinge obduziert hat. Er sagt ganz klar, dass der Bub aufgrund der Gesamtsituation «erstickt» sei. Der Säugling sei zuvor gesund gewesen. Und: Aufgrund der Verletzungen könne ein plötzlicher Kindstod «ausgeschlossen» werden.
Die Rippenbrüche beim Buben könnten durch «Kompression» entstanden sein – dies sei beim Schütteln häufig der Fall. Dabei würden meist in wenigen Sekunden heftige Bewegungen unter grossem Kraftaufwand ausgeführt. Zudem könne man einen kindlichen Knochenbruch hören und allenfalls auch spüren.
Die Gerichtspräsidentin fragt nach: «Könnte der Tod des Buben doch noch andere Ursachen haben?» Der Sachverständige bleibt dabei: Nein, für ihn sei «Ersticken» im Moment die plausibelste Erklärung.
Der Beschuldigte sitzt während des ganzen Prozesses regungslos auf dem Anklagestuhl. Nach den Aussagen des Sachverständigen eine Überraschung: Die Verteidigerin des Beschuldigten sagt plötzlich, dass ihr Mandant am Nachmittag vor Gericht keine Aussagen machen werde. Er leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung.
«Er hat das Vertrauen in die Justiz verloren»
Grund: Er stehe schon elf Jahre unter Verdacht und unter dem Druck. «Er wurde mindestens schon zwei Mal zu jedem Vorfall befragt», so seine Verteidigerin. «Dabei hat er auch immer wieder ausgesagt, dass er nicht für den Tod und die Verletzungen der Kinder verantwortlich sei.» Er mache deshalb vom Recht Gebrauch, keine Aussagen mehr zu machen. «Er hat das Vertrauen in die Justiz komplett verloren.» Dies sei mitunter ein Grund, heute keine Aussagen zu machen.
Das Beweisverfahren ist somit abgeschlossen. Der Prozess ist unterbrochen. Die Plädoyers der Parteien finden am Donnerstag statt. Der Ankläger fordert Schuldsprüche wegen vorsätzlicher Tötung und eines Tötungsversuchs, eventuell wegen schwerer Körperverletzung. Die Verteidigung will einen Freispruch erwirken. Das Urteil wird am 6. Mai eröffnet.
Am ersten Prozesstag am Dienstag waren die verdeckten Ermittler befragt worden, die über Jahre versucht hatten, von den Eltern Informationen zum Tod des Babys zu entlocken.
* Namen geändert