So parkt ein Lastwagenchauffeur rückwärts
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Problematik toter Winkel:So parkt ein Lastwagenchauffeur rückwärts

Tödliches Unfall-Drama bei Giezendanner hätte verhindert werden können
Warum gibts für Brummis keine Kamera-Pflicht?

Rothrist AG - Viele Autos haben es. Sensoren oder Kameras, die Alarm schlagen, wenn jemand im toten Winkel steht oder auftaucht. Jetzt, nach dem tödlichen Drama bei der Giezendanner Transport AG in Rothrist, fragt sich: Warum gibt es für die schweren Brummis zumindest keine Kamerapflicht?
Publiziert: 08.11.2018 um 02:18 Uhr
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Aktualisiert: 15.11.2018 um 22:55 Uhr
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Chauffeur Dejan Pljevaljcic (22) ist noch nie etwas passiert: «Ich hoffe natürlich, dass es dabei bleibt.»
Foto: Ralph Donghi
Ralph Donghi und Nicolas Lurati

Der tragische Tod von Andreas A.* (†27), der von seinem Arbeitskollegen Max G.* (27) im rückwärts fahrenden LKW der Firma Giezendanner Transport AG in Rothrist AG an eine Rampe gedrückt wurde (BLICK berichtete), zeigt: Immer wieder werden Brummis zur Todesfalle. Ein Einweiser hätte den Unfall wohl verhindert – oder aber eine Heck-Kamera.

Keine gesetzliche Pflicht

«Im Moment ist es so, dass es sowohl für Einweiser wie auch für Heck-Kameras keine gesetzliche Pflicht gibt», sagt Patron und SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner (65). «Es liegt also an den Unternehmern, zu entscheiden, ob sie für jeden Chauffeur auch noch einen Helfer einstellen oder Geld für Kameras ausgeben wollen.» Giezendanner sagt, dass mehr Personal in der Szene «kein Thema» sei. Jedoch seien Heck-Kameras «durchaus umsetzbar», was sein Sohn Benjamin bei der Giezendanner Transport AG auch mache.

André Kirchhofer, Vizedirektor und Leiter Kommunikation beim Schweizerischen Nutzfahrzeugverband (Astag), weiss aber: «Aus technischen Gründen kann eine Kamera nicht an jedem Fahrzeug angebracht werden. Das beste Beispiel sind Fahrzeugkombinationen mit Seefracht-Containern. Hingegen ist es Vorschrift, dass beim Rückwärtsfahren eine Hilfsperson beizuziehen ist, wenn nicht jede Gefahr ausgeschlossen ist.»

BLICK fuhr bei Chauffeur mit

Während in der Brummi-Szene Einweiser nicht überall gern gesehen sind, wären die Chauffeure durchaus froh, wenn ihre Chefs Heck-Kameras installieren müssten. Wie Dejan Pljevaljcic (22), der auch für Giezendanner fährt. «Sie sind sicher kein Seich. Schliesslich sieht man dann, was hinten passiert.»

Wie schwierig es für die Chauffeure ist, nur schon Ware auf dem eigenen Areal rückwärts an einer Rampe abzuladen, zeigt Pljevaljcic als er den BLICK-Reporter für eine Testfahrt einlädt.

Sofort zeigt sich: Es braucht ein gutes Auge des Chauffeurs, damit er den Einweiser sieht, der teils meterweit entfernt steht und im Rückspiegel wie ein Lego-Männchen aussieht. Ein kurzer Blick vom Chauffeur in den anderen Rückspiegel – und schon kann der Einweiser im anderen Spiegel verschwunden sein. Fakt ist: Es ist eine Zentimeter-Arbeit, die die Chauffeure jeden Tag abliefern. Zum Glück geht es meistens gut – auch Pljevaljcic ist noch nie etwas passiert.

Thema Heck-Kameras nicht auf dem Radar

«Glücklicherweise handelt es sich beim tragischen Unglück in der Firma Giezendanner um einen Einzelfall», sagt Astag-Mann Kirchhofer. Und ergänzt: «Daher wurde die Thematik der Heckkamera-Pflicht bisher auch nicht breiter diskutiert.»

Eine Heckkamera-Pflicht begrüssen würde auch die Beratungsstelle für Unfallverhütung. Sprecher Nicolas Kessler: «Eine Kombination von Audio-Sensor und Kamera wäre sogar noch besser. Denn je nach Witterungsverhältnissen kann eine optimale Bildqualität bei einer Kamera nicht garantiert werden.»

Im Ausland kennt man das Problem. 2017 forderte Österreichs Verkehrsminister, dass LKWs sogar mit Rundum-Kameras ausgerüstet werden sollten. Damit niemand mehr für Brummis im toten Winkel verschwindet. 

* Namen bekannt

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