Wenn Tamara T.* (48) die Tür zu ihrer Wohnung in Oberhof AG öffnet, steigt ein beissender Geruch nach Rauch in die Nase, kratzt im Hals. Die Bilder an der Wand sind vom Rauch vergilbt. Im Schlafzimmer klafft ein Loch im Holzboden, schwarze Ränder, ausgebrannt. Hier zu hausen, kann nicht gesund sein – und doch lebt und leidet Tamara T. seit bald sieben Monaten unter den Bedingungen. «Wegen all des Russes erbreche ich Blut», sagt sie zu BLICK.
In der Nacht auf den 30. März dieses Jahres bricht ein Feuer im untersten Stock des Bauernhauses aus. T. sitzt in ihrer Wohnung einen Stock darüber. Durch die Fugen dringt plötzlich Rauch.
Die Bewohnerin will nachschauen, läuft nach unten. Eine Rauchwand schlägt ihr entgegen. «Ich rannte zurück in meine Wohnung, die nun auch voller Rauch war. Dann schnappte ich meinen Hund und rannte um mein Leben», erzählt Tamara T.
Mieterin ist traumatisiert
Die Mieterin muss wegen Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung ins Spital. Die Schäden am Haus sind immens: Das Wohnzimmer der unteren Wohnung ist ausgebrannt. Das Feuer hat sich durch die Decke und T.s Fussboden gefressen, Russ verdreckt Wände und Kleiderschrank.
Tamara T. ist traumatisiert. «Wenn immer ich den Rauch rieche, die Schäden sehe, versetzt es mich zurück in jene Nacht», sagt sie. Zwei Wochen kommt sie bei Kollegen unter. Die Gebäudeversicherung analysiert währenddessen den Schaden. Fazit: Ein neuer Fussboden und eine Brandreinigung, danach dürfte die Wohnung problemlos bewohnbar sein. Aufwand: eine Woche.
Einen Vorschlag der Gemeinde auf ein neues Zuhause lehnt T. deshalb ab. Sie will lieber auf die Sanierung warten. «Ich fühlte mich vor dem Brand immer wohl dort. Zudem ist die Miete günstig», sagt sie.
«Ich halte es zu Hause nicht aus»
Zeit vergeht – Tamara T. wartet, hofft. Vergeblich. Der Vermieter lässt die Sanierung nicht durchführen. Die 48-Jährige ist gezwungen, im April wieder einzuziehen. Bei den Kollegen muss sie raus. Eine neue Wohnung findet sie nicht. Ein Hotel wäre zu teuer.
Die Bedingungen schlagen ihr auf Gesundheit und Psyche. Mehrmals hat der Arzt sie krankgeschrieben. Dennoch geht sie zur Arbeit an der frischen Luft. «Ich halte es zu Hause nicht aus», so T.
Der Vermieter schlägt schliesslich vor, die Handwerker aufzubieten. Unter der Bedingung, dass T. ihre Wohnung selbständig räumt. Doch ihr fehlt die Kraft dazu. Einen Platz, wo sie ihren Hausrat unterstellen kann, gibt man ihr nicht. «Ich schaffte es nicht alleine, alles auszuräumen. Und wohin überhaupt?» T. bittet den Vermieter um Hilfe. Umsonst.
Bett aus Pneus und Matratze
Die Aargauer Gebäudeversicherung bestätigt gegenüber BLICK, man habe dem Vermieter – einer Erbengemeinschaft bestehend aus 30 Personen – das Geld für die Sanierung schon im Mai zugesprochen. Die Brandreinigung und Sanierung müsse dieser aber selbst organisieren.
Die Erbengemeinschaft wird durch eine Anwältin vertreten. Sie ist auch T.s Ansprechperson. Auf Anfrage von BLICK verweist die zuständige Kanzlei auf die Schweigepflicht. Warum die Erben die Arbeiten nicht durchführen, könne man nicht beantworten.
Aktuell schläft T. auf einem selbst gebauten Bett aus Pneus und einer Matratze. Ihr altes Bett und ihr Schlafzimmer kann sie wegen des Russes nicht mehr benutzen. Tamara T. will nur noch weg.
50'000 Franken Schaden – keiner bezahlt
Doch eine neue Wohnung zu finden, ist schwer. «Logischerweise will keiner eine nach Rauch stinkende Frau aufnehmen.» Seit dem Brand steckt T. zudem finanziell in der Klemme. «Ich musste neue Kleider kaufen, meine Möbel sind dahin. Etwa 50'000 Franken habe ich im Feuer verloren», sagt sie.
Obwohl der Brandbericht der Polizei T. als Geschädigte aufführt, erhielt sie bisher keinen Schadensersatz. «Meine Hausratversicherung deckt die Brandschäden nicht ab. Sie verwiesen auf meinen Vermieter.» Dieser stellt aber weiterhin auf stur.
Tamara T. möchte das Geld nun mithilfe eines Anwalts einklagen. Sie hofft auf einen Neustart. «Vielleicht kann ich Weihnachten in einem neuen Zuhause verbringen. Ohne Gestank und schlechte Erinnerungen.»
* Name bekannt