Über diese skurrile Geschichte wurde heftig diskutiert – und teils auch gelacht. Grund: Ein Autofahrer wurde 2021 im Kanton Solothurn mit 1,64 Promille Alkohol im Blut von der Polizei erwischt. Später wurden ihm im Administrativverfahren, um seinen Alkoholkonsum abzuklären, die Beinhaare rasiert. Dies, weil seine Kopfhaare zu kurz waren.
Der Mann akzeptierte zwar die Strafe der Staatsanwaltschaft. Doch im Verfahren mit der Motorfahrzeugkontrolle (MFK) kämpfte er, weil er sich ungerecht behandelt fühlte, bis vor Bundesgericht – und blitzte ab.
Der Autofahrer spricht mit Blick
Recherchen von Blick zeigen nun: Der Autofahrer ist Marcel P.* (63) aus der Region Solothurn. Und: Er ist bereit, über seinen Fall zu sprechen. Doch gleich zu Beginn hält er fest: «Ich bin ganz, ganz weit weg von einem Alkoholiker.»
Dann erzählt P. vom Abend des 3. Juni 2021. Er sei mit drei Personen essen gegangen. Er gibt zu: «Ich habe auch das eine oder andere Glas Wein getrunken.» Um zirka 20.20 Uhr sei er heimwärts gefahren. Er habe sich nicht betrunken gefühlt.
Mit 1,64 Promille erwischt
Kurz darauf sei es passiert. «Ich wurde von der Polizei rausgenommen – wegen einer Verkehrskontrolle.» Er habe ins Röhrchen blasen müssen. Resultat: 1,64 Promille. P. wird mit auf den Polizeiposten genommen. «Dort musste ich dann fürs Protokoll Auskunft geben.» Und: «Mir wurde das Billett abgenommen.» Die Polizei habe ihn dann noch heimgefahren.
Später habe er «ganz überraschend einen ziemlich scharfen Brief von der MFK» erhalten. «Da stand drin, dass ich ein schweres Verkehrsdelikt begangen hätte. Das hat mich sehr erschrocken», so P. Denn: «Meine Trinkmenge war nicht übermässig.» Dennoch sei sein Billett auf unbestimmte Zeit eingezogen geblieben.
Strafe der Staatsanwaltschaft bezahlt
Schon bald sei auch die Strafe der Staatsanwaltschaft gekommen. «Die circa 1000 Franken habe ich akzeptiert und bezahlt», sagt P. «Ich hatte ja Mist gebaut, war selber schuld. Normalerweise fuhr ich auch nicht Auto, wenn ich Alkohol getrunken hatte.»
Die MFK habe dann von ihm verlangt, «dass ich mich für eine verkehrstechnische Fahrtauglichkeitsprüfung anmelde», sagt P. «Was ich, nach einer ersten, nicht erfolgreichen Einsprache, dann auch widerwillig getan habe.» Dafür habe er zu einem Arzt nach Luzern gehen müssen. «Dort wurden mir allerlei Fragen gestellt. Auch über mein soziales Umfeld und über peinliche Sachen.» Zudem habe er Kraftmessungen und einen Sehtest machen müssen.
Dann erfolgte die Bein-Rasur
Dann, ganz am Schluss, «hat man mir einfach noch Haare genommen», sagt P. «Das habe ich nicht ganz verstanden und hat mich gestört.» Es kam für ihn noch dicker: «Weil meine Kopfhaare zu kurz für den Test waren, hat mich der Mediziner gefragt, ob er mir die Beinhaare rasieren dürfe – und ich habe zugestimmt.» Es sei ihm alles komisch vorgekommen. Er habe gedacht, dass Haare nur im Fall von Drogenmissbrauch verwendet werden. Aber: «Der Arzt hat mir gesagt, dass dies in einem solchen Fall auch bei Alkohol nötig sei. Das hat mich sehr überrascht.»
Die noch grössere Überraschung für P. kommt später. «Der Haar-Test hat mich dann sehr despektierlich als Alkoholiker abgestempelt», wundert er sich heute noch. Er sagt: «Das wäre mir ganz neu. Aber per Definition sagt man ja: Jeder, der regelmässig circa ein Glas Wein trinkt, ist Alkoholiker. Ich bin es definitiv nicht.»
Kosten von rund 10'000 Franken
Weiter sagt P., dass er deshalb das Verfahren mit der MFK bis vors Bundesgericht gezogen habe. «Ich hatte Kosten bis zu 10'000 Franken.» Er werde das für ihn negative Urteil nun akzeptieren, aber: «Ich bin weiter der Meinung, dass eine Haaranalyse alleine nicht ausschlaggebend sein darf für einen Sicherungsentzug des Billetts.» Denn: «Ansonsten wurde bei mir sowohl bei der psychischen als auch bei der physischen Abklärung kein einziger negativer Punkt gefunden.»
P. sagt, er habe inzwischen Spass am Velofahren gefunden. «Ich bin keine Gefahr für den Strassenverkehr», grinst er. Er habe in 43 Jahren noch nie so ein Verkehrsdelikt begangen. Sein Billett habe er seit dem Vorfall im Jahr 2021 nicht mehr. Er werde sich jetzt erneut für die Fahrtauglichkeitsprüfung anmelden. «Und nochmals meine Beinhaare abgeben. Auch, wenn dies schon ziemlich entwürdigend war.»
Für die Zukunft hofft Marcel P., dass das Strassenverkehrsgesetz «gewisse Sachen ändert». Er sei zum Beispiel nie vor einem der Gerichte angehört worden und findet: «Man sollte nicht ein Urteil über einen Menschen fällen, den man nie persönlich angehört hat.»
* Name bekannt