Skandalspital Baden?

BADEN AG – Der Schweinegrippe-Patient Kerry F. wird wegen einer Panne aus dem Kantonsspital Baden entlassen. Obwohl er infiziert ist. Das Echo lässt nicht lange auf sich warten. Denn das Spital gerät immer wieder in die Schlagzeilen.
Publiziert: 01.05.2009 um 12:00 Uhr
|
Aktualisiert: 06.09.2018 um 18:59 Uhr
Von Lilian Spörri

Der 19-jährige Kerry F. war nach seinen Ferien im mexikanischen Cancún ins Kantonsspital Baden (KSB) eingeliefert worden. Er hatte Anzeichen, die für eine Ansteckung mit dem Schweinegrippe-Virus sprachen, wurde in Quarantäne gesteckt (Blick.ch berichtete). Am Mittwochabend sagte KSB-Sprecher Marco Bellafiore: «Der Patient hat keine Schweinegrippe». Doch dann muss Kerry F. wieder zurück ins Spital. Denn der zweite Test ist positiv.

Die Erklärung des Spitals: «Der Patient wurde auf humane Influenza A und B getestet. Darum musste der Test fast negativ ausfallen. Eine erfahrene Infektiologin hat dann die Entlassung angeordnet. Sie hat nicht gewusst, dass noch ein Test aussteht. Aber: Das neuartige Virus ist keine humane Variante. Der zweite Test der gestern vorgelegt wurde, ist spezifisch auf dieses neuartige Virus ausgelegt. Und der war positiv.»

Also wurde Kerry F. entlassen, bevor der wichtige zweite Test überhaupt eintraf. Und obwohl man wusste, dass der erste Test keine 100-prozentige Sicherheit geben könnte. Spital-Sprecher Stefan Wey führt die Fehlentscheidung auf eine Kommunikationspanne zurück: «Wir wussten nicht, dass noch ein Test vom Labor in Genf entwickelt wurde.» Warum das KSB keine Ahnung von dem neuen Test hatte, obwohl sie den einzigen Verdachtsfall in der Schweiz behandelten, bleibt ein grosses Rätsel.

Untersucht, heimgeschickt, drei Tage später tot

Eine peinliche Panne des Kantonsspitals Baden. Aber kein Einzelfall. «Mein Mann wurde mit Atemschwierigkeiten und Herzrasen ins Spital eingeliefert», erzählt Kathrin M. aus Neuenhof. Bereits vorher hatte Arnold M.* mit Thrombosen zu kämpfen. Der damals 59-Jährige wird untersucht, erhält Antibiotika. Und wird wieder nach Hause geschickt. Drei Tage später ist er tot, gestorben an einer Lungenembolie.

Harmloser, aber nicht minder fatal ist der Fall von Miriam P.* aus Nussbaumen: «Ich kam mit schweren Schmerzen in der Nierengegend auf die Notfallstation, konnte kaum mehr gehen.» Bevor die Patientin aber im Krankenbett landete, musste sie erst das Patientenformular ausfüllen. Stehend. Dort vermerkte sie, dass sie an einer Penicilin-Allergie leide. Und drückte ihren Verdacht aus, dass sie an einer Blasen- und Nierenentzündung leiden könnte.

Stattdessen aber wurde die junge Frau erst auf eine mögliche Darminfektion untersucht. Stunden später wurde Blut entnommen und die Schmerzen mit Medikamenten bekämpft. Tags darauf gingen die Untersuchungen weiter. Dazu wurde Miriam P. eine Flüssigkeit eingespritzt: «Beiläufig fragte ich noch, ob da Penicillin drin sei», erzählt die Aargauerin. Die Assistenzärztin blickt sie erstaunt an – und bejaht. «Die hätten mir das also gespritzt, obwohl ichs auf dem Formular vermerkt hatte.»

Erst Lapsus, dann Ignoranz

Wo gearbeitet wird, passieren Fehler? Zu wenig Personal, zu lange Arbeitszeiten? Überlastung? Wohl möglich. Doch folgender Fall hat mit Überlastung rein gar nichts zu tun. Elisabeth B.* aus Brugg kommt mit einer Lungenentzündung spätabends auf die Notfallstation. Die Rentnerin ist zudem von einem vorherigen Schlaganfall geschwächt.

Die Familie wird über den aktuellen Zustand der 78-Jährigen nicht informiert. Stattdessen sagt eine Notfallärztin – vor der Patientin: «Die Familie von ihr rufen wir morgen an. Die überlebt die Nacht eh nicht.» Dass die alte Frau diesen Satz sehr wohl mitbekommt, scheint die Medizinerin nicht zu stören. Als die Angehörigen tags darauf von der kranken Frau diesen Satz berichtet bekommen und das Spital auf diese grobe Entgleisung aufmerksam machen, wollen diese nichts davon wissen.

«Typisch Kantonsspital Baden!»

Das Kantonsspital Baden scheint auch bei Blick.ch-Lesern keinen besonders guten Ruf zu geniessen: «Das ist typisch KSB ... ich sterbe lieber, als dass ich in Baden behandelt werde. Diverse solche Fälle sind mir bekannt aus meinem Umfeld», sagt Gianni Meier aus Baden. Oder Rosalba Nera aus Wettingen meint: «Typisch Kantonsspital Baden! Und damit hab ich alles gesagt.» Markus Bucher aus Zürich greift noch weiter: «Und schon wieder ein Skandal im Kantonspital Baden! Wann greifen die Behörden endlich ein und räumen bei diesem Spital auf? Es geht jetzt um unsere Existenz.»

Das Kantonsspital Baden – ein Skandalspital? «Bei uns passieren keine solchen Fehler», dementiert KSB-Sprecher Stefan Wey. «Bei 15000 Patienten pro Jahr gibt es immer solche, die schlechte Erfahrungen machen.» Zu den konkreten Fällen wollte Wey keine Stellung nehmen. Und ergänzt: «Ein schlechter Ruf des Kantonsspitals Baden ist für uns nicht nachvollziehbar.»

*Namen der Redaktion bekannt

31 Personen weiter unter «Hausarrest» – Passagiere gesucht
Obwohl es aus dem Umfeld von Kerry F. bislang keinen Verdachtsfall gibt und die Ansteckungsgefahr vom Aargauer Kantonsarzt Martin Roth als «minim» eingestuft wird, müssen 15 Angehörige und Freunde sowie 16 Angestellte des Kantonsspitals Baden vorerst zu Hause bleiben. Durch die Kommunikationspanne beim Test für Kerry F. hob das Spital die Schutzmassnahmen für seine Angestellten auf, erklärt KSB-Sprecher Stefan Wey die Quarantäne des Personals.

Das Bundesamt für Gesundheit ruft zudem die Passagiere auf, die am 25. April mit Kerry F. von Cancún über Philadelphia nach Zürich geflogen sind, sich beim Arzt zu melden. Betroffen sind die Flüge US 804 und US 710.

Kerry F. selber ist bei guter Gesundheit und wird im Verlauf der nächsten Tage definitiv aus dem Spital entlassen. Zu diesem Zeitpunkt werde keine Ansteckungsgefahr mehr bestehen, so KSB-Sprecher Stefan Wey. «Wir warten auf die Weisung des BAG, wann der Patient entlassen werden kann.» Er sei eigentlich schon jetzt «medizinisch gesund».
Obwohl es aus dem Umfeld von Kerry F. bislang keinen Verdachtsfall gibt und die Ansteckungsgefahr vom Aargauer Kantonsarzt Martin Roth als «minim» eingestuft wird, müssen 15 Angehörige und Freunde sowie 16 Angestellte des Kantonsspitals Baden vorerst zu Hause bleiben. Durch die Kommunikationspanne beim Test für Kerry F. hob das Spital die Schutzmassnahmen für seine Angestellten auf, erklärt KSB-Sprecher Stefan Wey die Quarantäne des Personals.

Das Bundesamt für Gesundheit ruft zudem die Passagiere auf, die am 25. April mit Kerry F. von Cancún über Philadelphia nach Zürich geflogen sind, sich beim Arzt zu melden. Betroffen sind die Flüge US 804 und US 710.

Kerry F. selber ist bei guter Gesundheit und wird im Verlauf der nächsten Tage definitiv aus dem Spital entlassen. Zu diesem Zeitpunkt werde keine Ansteckungsgefahr mehr bestehen, so KSB-Sprecher Stefan Wey. «Wir warten auf die Weisung des BAG, wann der Patient entlassen werden kann.» Er sei eigentlich schon jetzt «medizinisch gesund».
Fehler gefunden? Jetzt melden