Eine Meldung der «Aargauer Zeitung» erregte gestern die Gemüter: Ein Mädchen fuhr am Montag in Gebenstorf AG mit dem Velo in einen gespannten Draht und musste später ins Spital geliefert werden. Und: Die Kantonspolizei habe einen Senior als Täter im Visier.
Der verdächtige Rentner Giulio Campisano (85) wohnt direkt an der Unfallstelle. Er lebt dort in einem Mehrfamilienhaus und hat ein Gärtchen, an dessen Zaun der Draht bis zu einem Pfosten gespannt gewesen sein soll. Auf dem Weg fahren jeweils Kinder zur Schule durch.
Als BLICK ihn auf den Unfall anspricht, hat der pensionierte Chauffeur gerade einen Draht in der Hand. Schnell legt er ihn zur Seite. Der Senior geht nicht auf sein mögliches Fehlverhalten ein, sondern lieber mit dem Mädchen ins Gericht: «Sie lügt!»
Der Draht-Rentner hält das Mädchen für eine Lügnerin
Campisano erzählt, er sei am Montag in der Nähe gewesen und habe keinen Unfall gesehen. «Auch kein Mädchen.» Er räumt nur ein: «Ja, es war da schon ein Draht von mir, aber der lag am Boden und war nirgends gespannt.»
Der Rentner redet sich in Rage: «Die Kinder fahren immer hier durch!» Wütend sagt er: «Ich zahle sicher keine Busse.»
Mädchen konnte den Draht nicht sehen
Dem Opfer steckt der Sturz noch in den Knochen. Lenya (13) darf mit dem Einverständnis ihrer Mutter Sara Lindemann (46) mit BLICK über den Unfall sprechen. «Ich war in der Schule und wollte heimfahren», erzählt das Mädchen. Sie habe den Draht nicht gesehen: «Ich bin voll reingefahren!» Nach dem Sturz habe sie überall Schmerzen gehabt, sie sei aufgestanden und habe sich weiter weg erst einmal hingesetzt.
Lenya hat Glück im Unglück. «Eine Nachbarin kam zufällig vorbei und hat mich nach Hause gebracht.» Dort habe sie gemerkt, dass sie nicht mehr richtig sehe. «Da hat sie mich ins Spital gebracht.»
Mutter ist schockiert
Sara Lindemann ist bei der Arbeit, als sie vom Unfall erfährt. «Ich war schockiert», so die Sozialpädagogin. «Lenya hatte Schutzengel. Denn das hätte schlimm enden können.»
Eine Nacht musste Lenya im Spital bleiben. «Ich hatte eine Hirnerschütterung.» Geblieben ist eine Schürfwunde an einem Oberarm. «Vom Draht, der mich in der Kurve traf», sagt sie. «Wäre er höher gespannt gewesen, hätte er mich am Hals getroffen.»
Polizei hat Rentner im Visier
Sara Lindemann wäre bereit für eine Aussprache mit Draht-Rentner Campisano. «Damit die Kinder weiter dort durchfahren können.» Aber: «Wenn der alles abstreitet, soll es halt die Polizei klären.»
Auf Nachfrage von BLICK bei der Kantonspolizei Aargau spricht Bernhard Graser Klartext: «Obwohl er es bestreitet, deutet alles darauf hin, dass der Senior den Draht gespannt hatte. Wir haben ihn deswegen an die Staatsanwaltschaft verzeigt.»