Die Corona-Krise zwingt die Leute dazu, nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Keller und Estriche umzukrempeln. Bei den Recycling-Centern läuft es rund! «Uns wird drei bis vier Mal mehr Ware gebracht als sonst», bestätigt Bruno Hug (61), Sammelstellenleiter von «brings» in Turgi AG. «Die Leute haben eben Zeit!»
Vor den Höfen stehen die Menschen Schlange. Die meisten von ihnen schleppen Zeitungen, Karton, PET-Flaschen und Holz an. Aber auch Skurriles wie alte Coiffeur-Puppen oder Sachen, die an den Ex-Partner erinnern, müssen weg! Olivia Bertschi (27) von den Aargauer Recycling-Paradiesen in Reinach, Hunzenschwil, Spreitenbach und Muri verrät BLICK: «Am letzten Wochenende brachte ein junger, charmanter Mann ein gerahmtes Foto einer hübschen Frau vorbei, die darauf total verliebt posierte.» Er meinte nur: «Alles hat ein Ende.» Und schmiss das Bild weg.
«Es fallen grössere Mengen an»
150 private Recyclingfirmen mit 6500 Mitarbeitern gehören dem Verband Stahl-, Metall- und Papier-Recycling Schweiz (VSMR) an. Jährlich bearbeiten diese 1,5 Millionen Tonnen Altmetall, Schrott und 1,3 Millionen Tonnen Altpapier. Wie viele Tonnen dieses Jahr zusätzlich entsorgt werden, ist gesamtschweizerisch noch nicht erhoben. Geschäftsführer Thomas Bähler (50): «Wir hören, dass bei vielen Recyclern grössere Mengen anfallen.» Die Sammelstellen müssen zusätzlich Leute für die Verkehrskontrolle und zur Sicherstellung des Tropfensystems, generell zur Sicherstellung der Abstands- und Hygienevorschriften, einsetzen.
Aber nicht alles wird entsorgt. In den vier Recycling-Paradiesen werden etwa Bücher, Schlitten und Gehhilfen für einen guten Zweck gratis weitergegeben. Anderes ist nicht mehr zu gebrauchen. Ruedi Baumann (70) im Recycling-Paradies Hunzenschwil: «Ich entsorge eine alte Fernsteuerung eines RC-Helikopters», so der Senior. Und Theres Baumann (63) sagt: «Ich entsorge zwei Modell-Lastwagen unserer Enkel», so die Pflegerin. Sie würden es jetzt gerade nicht mitkriegen. «Sonst gäbe es noch Tränen.»
In Turgi entsorgt Franziska Roth (50) mehrere Bilder. «Nach 30 Jahren brauchts wieder mal einen Wechsel», so die Kauffrau. Abgeschlossen hat auch jemand mit einem grossen Stoff-Bären, den er in eine Mulde warf. Sammelstellenleiter Hug: «Am Anfang haben mich solche Dinge gereut.» In diesen Wochen würden solch persönliche Sachen aber fast täglich weggeworfen.
3000 Franken und Autonummernschild im Altpapier
Nicht immer bewusst! Hug: «Einmal hatte eine Frau 3000 Franken mit dem Altpapier entsorgt. Als sie nochmals vorbeikam, war es zu spät.» Anders bei einem Mann, dessen Autonummernschild im Altpapier landete. «Er konnte es noch finden.»
Was andere lieber nicht finden sollen, fällt einigen aber erst spät ein. «Wir haben immer wieder Leute, die ihren Laptop bringen, später aber wiederkommen und die Festplatte suchen», sagt etwa Christian Röthlin (49), Leiter Recycling bei Recycling Zimmermann in Buochs NW. Er schmunzelt: «Vielleicht, weil private Videos oder sensible Geschäftsdaten darauf sind.»
Patrick Hodel (42) räumt lieber sein Haus: «Ich habe schon vier Fuder nach Buochs gebracht.» Luzia Käslin (58) bringt Kabel, Styropor und Leuchtstoffröhren: «Sie kamen beim Räumen hervor. Ich habe das nun voll in Angriff genommen!»
Lob vom Verband
Ansturm, Mehrstunden, Sicherheitsmassnahmen zum Trotz: Die Recycler sind zufrieden. «Die Grundentsorgung ist genauso systemrelevant wie die Grundversorgung», sagt Thomas Bähler vom VSMR. «Die private Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft hat den schwierigen Test bestanden und gezeigt, dass sie ihre wichtige Aufgabe auch in diesen Zeiten wahrnehmen kann.»