Die Nachricht schlug bei Pia F.* (63) wie eine Bombe ein, als sie am Montag vor einer Woche daheim im Kanton Bern vor dem Fernseher sass. «Ich war schockiert», so die fünffache Mutter zu BLICK. «Als vom Brand in Solothurn mit Toten berichtet wurde, sah ich: Das Feuer muss in der Wohnung meiner Tochter Jenny ausgebrochen sein.»
Später stellte sich heraus: Jenny S.* (25) war mit einer brennenden Zigarette eingeschlafen. Das alte Reihenhaus füllte sich rasch mit Rauch. Eine vierköpfige, eritreische Familie kam ums Leben. Ebenso ein äthiopisches Ehepaar und eines ihrer drei Kinder.
Mutter hatte fast Nervenzusammenbruch
Nun hat Pia F. erstmals die Kraft, über das Drama zu reden. «Ich hatte fast einen Nervenzusammenbruch, als ich hörte, dass Jenny verhaftet wurde», sagt die geschiedene Mutter. «Ich war froh, waren meine anderen Kinder für mich da.»
Pia F. will nicht sagen, ob sie schon mit ihrer Tochter geredet hat und wo sie jetzt ist. Aber: «Jenny tut es unendlich leid. Und sie ist jetzt an einem Ort, wo sie gut betreut wird.»
Jenny S. wollte keine Hilfe
Die Mutter bestätigt, dass Jenny ein Mann ist. «Als er zwölf Jahre alt wurde, merkten wir, dass er sich im falschen Körper fühlt.» Sie hätten dies akzeptiert, dennoch habe er in den folgenden Jahren mit sich und der Aussenwelt Probleme gehabt. Und: «Wir wollten ihm helfen, doch er wollte dies nicht.»
So sei aus dem Buben die Jenny geworden. «Sie trug Frauenkleider, nahm Hormontabletten», sagt die Mutter. Leider habe es mit einer Lehre und später bei Jobs nicht geklappt. Jenny sei auch schon in einer psychiatrischen Klinik gewesen.
Brandverursacherin hatte ihre Stelle verloren
«Als sie die letzte Stelle verlor, fiel sie in ein Loch. Leider wollte sie wieder keine Hilfe», so Pia F. Einem psychologischen Betreuer habe sie vor Monaten noch gesagt, dass man Jenny zwangseinweisen solle. Auch wenn sie weiss: «Bei Volljährigen ist dies schwierig, wenn nichts passiert ist.»
Jetzt sei es passiert. «Jenny muss jetzt irgendwie mit dem Ganzen klarkommen», sagt die Mutter. Auch die beiden Kinder, nun Vollwaisen, beschäftigen sie. «Sie tun mir so leid», sagt die frühpensionierte Arbeiterin unter Tränen. «Ich würde sie am liebsten aufnehmen. Aber leider geht es mir gesundheitlich nicht gut.»
Feuerlöscher und Rauchmelder gefordert
Gerne würde Pia F. am Samstag auch zur Gedenkfeier gehen. Aber: «Das kann ich nicht. Als Mutter des Kindes, das diesen Brand verursacht hat.» Jenny habe wohl nur überlebt, weil der Rauch im Treppenhaus nach oben stieg und sie noch durch das Fenster ihrer Parterrewohnung entkommen konnte.
Pia F. hat einen Wunsch: «In solch alten Häusern sollten Feuerlöscher oder Rauchmelder Pflicht werden. Dann wären die sieben Menschen jetzt wohl noch am Leben.» Klar, sie wisse schon, dass Jenny einen Fehler gemacht habe: «Darunter wird sie ihr Leben lang leiden, wie wir Angehörige auch.»
* Namen geändert