Pedro Lenz erklärt Deutschen Blutbad von Würenlingen
«Stauen Schweizer überdurchschnittlich viele Aggressionen auf?»

Semun A.* erschoss seine Schwiegereltern, seinen Schwager und einen Nachbarn. Schriftsteller Pedro Lenz glaubt, die Verschlossenheit der Schweiz und ihrer Bewohner habe mit Familiendramen wie diesem etwas zu tun.
Publiziert: 12.05.2015 um 16:29 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 16:05 Uhr
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Die Brautleute Semun A. († 36) und Elisa an ihrer Hochzeit.
Foto: ZVG

Die Tat schockiert die Schweiz: In der Nacht auf Samstag tötet Semun A.* (†36) seine Schwiegereltern, seinen Schwager und einen Nachbarn. Dann erschiesst er sich selbst.

Klar, dass eine solche Tat nach Erklärungen verlangt. Auch Mundartautor Pedro Lenz («Dr Goalie bin ig») versucht sich an einer Analyse. «Hinter den Fassaden lauert der Tod», schreibt Lenz auf «Focus.de».

Es brodelt im Verborgenen

Gerade weil die Schweiz ein auf den ersten Blick ruhiges und idyllisches Land sei, das das Gefühl habe, in Europa und der Welt gar nicht richtig dazuzugehören und mit den Problemen unseres Planeten nichts zu tun zu haben, brodle es im Verborgenen, erläutert der Schriftsteller unseren Nachbarn.

Eine Erklärung für Familiendramen wie eben in Würenlingen AG oder in Entlebuch LU, Les Crosets VS, Ried SZ, Untereggen SG oder Daillon VS?

«Kann es sein, dass wir Schweizerinnen und Schweizer überdurchschnittlich viele Aggressionen anstauen, weil wir uns damit überfordern, ständig unserem perfekten Selbstbild zu genügen», fragt Lenz. Er ortet eine «Aggressivität im Versteckten», wie sie sich zum Beispiel in Leserkommentaren auf Onlineportalen äussere. «In der Schweiz wird leise und höflich geredet. Emotionen zuzulassen, gehört nicht zu unseren nationalen Tugenden. Wir lernen von Kindesbeinen an, uns zu beherrschen und unsere Probleme intern zu lösen.»

«Zeit, dass wir lernen, uns zu öffnen»

Und weiter: «Was geschieht, wenn wir emotional am Anschlag sind oder wenn unser heiles Weltbild Risse bekommt? Müssen in der Schweiz immer mehr Leute bis zum Äussersten gehen, weil sie ihr Innerstes so sorgsam verschlossen haben, dass es nicht mehr erreichbar ist?»

Lenz' Schluss: «Es ist wohl an der Zeit, dass wir lernen, uns zu öffnen, als Menschen und als Land.»

Kein unauffälliger Bürger

Ob wirklich alle Schweizer überdurchschnittlich viele Aggressionen anstauen und ob es sich bei Semun A. tatsächlich um einen ebenso unauffälligen wie unverdächtigen Bürger gehandelt hat, darf indes bezweifelt werden. In seinem Wohnhaus in Reichenburg SZ war der Schweizer mit türkischen Wurzeln gefürchtet. Die Behörden waren längst auf ihn aufmerksam geworden. Er habe seine Frau geschlagen und isoliert, sagt ein Angehöriger. «Er hat sie unterdrückt. Elisa durfte nicht weggehen.»

Auch die Nachbarn im Haus habe er terrorisiert. «Ein totaler Psycho», sagt eine Nachbarin. «Mehrmals zog er im Treppenhaus einfach die Hose aus und zeigte seinen Penis.» (eg)

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