Barbara Artmann ist Firmenchefin des Aargauer Traditionsunternehmens Künzli Schuhe. Kürzlich sei sie «in Panik ausgebrochen», erzählt sie. Sie hatte eine E-Mail von Cyber-Betrügern erhalten. Diese hätten sie per Webcam gefilmt, wie sie Pornos geschaut habe. Wenn sie nicht unverzüglich 1327 Dollar in Bitcoin zahle, werde das Video an all ihre Kontakte geschickt.
Eine Horrorvorstellung für die Firmenchefin, wie die Zeitungen von «CH Media» in ihrer Samstagsausgabe berichten. Sie habe «nie eine solche Seite besucht, aber selbst wenn ein fremdes Pornobild an meine Kontakte gesendet wird, wäre das fatal, da ich Dutzende Politiker, Geschäftsleute und Journalisten in meinen Kontakten habe.»
Kriminelle setzen auf Angst-Karte
Die Erpresser hatten sogar ein Passwort von ihr, das sie auf einer Website benutzt hatte: «Da hat mich die Angst ergriffen. Ich begann mich wirklich zu fragen, ob die Zugang zu meinem Computer haben.»
Schliesslich bewahrte Artmann kühlen Kopf. Sie wandte sich an Cybercrime-Spezialisten der Kantonspolizei Zürich. Diese beruhigten. Die Absender von einem solchen Fake-Sextortion-Betrug hätten in der Regel gar keinen Zugang zu kompromittierendem Material. Sie setzen, so die Polizei, auf die Angst-Karte.
Was Artmann verunsichert hatte, war, dass das offenbar gehackte Passwort von ihr in Umlauf war. Doch Betrüger können gehackte Passwörter im Darkweb kaufen und sie nutzen, um Opfern vorzugaukeln, ihre Computer seien geknackt worden. Zudem hatten die Erpresser Artmanns private Adresse mit ihrer Geschäfts-E-Mail verknüpft.
Internet-Erpressungsfälle nehmen zu
«Angreifer investieren oft viel Zeit in das Ausspionieren potenzieller Opfer», wird Max Klaus zitiert, stellvertretender Direktor von Melani, der IT-Sicherheitsstelle des Bundes. So sei auch der geforderte Betrag von 1237 Dollar im Vergleich zu anderen Forderungen recht hoch gewesen. Die Betrüger kennen ihre Opfer: Eine Firmenchefin wird um mehr erpresst als eine Putzfrau.
Unternehmerin Artmann kam mit dem Schrecken davon. Andere zahlen. Melani, die IT-Sicherheitsstelle des Bundes, beobachtet auch Bitcoin-Konten im Zusammenhang mit Betrugsmaschen in der Schweiz. Sie enthalten Bitcoin im Wert von zwei Millionen Franken. Die gleiche Untersuchung im Halbjahr davor hatte «nur» 360'000 erpresste Franken ergeben. (kes)