Marita Weber-Salim (†85) war eine der ersten schwarzen Ehefrauen in der Schweiz
Pionierin der Misch-Ehe

Die Solothurnerin Marita Weber (†85) musste 1954 für ihre Liebe kämpfen – weil sie schwarz war und ihr Mann weiss. Das Paar gab nicht auf. Und bekam schliesslich die Erlaubnis, zusammen in der Schweiz zu leben. Diese Woche ist Marita gestorben.
Publiziert: 27.10.2018 um 19:18 Uhr
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Aktualisiert: 27.10.2018 um 20:11 Uhr
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Kary Weber mit seiner Mutter Marita.
Foto: zvg
Michael Sahli

Liebe kennt keine Grenzen. Eigentlich. Denn was heute ganz normal ist, war früher ein grosses Problem: die Ehe zwischen Schweizern und Ausländern. 

Diesen Umstand verdanken wir Menschen, die einst für dieses Recht eintraten. Menschen, wie die Solothurnerin Marita Weber-Salim (†85). Die Frau aus Tansania kämpfte in den 50er-Jahren für ihre Liebe zum Zürcher Anton Weber. Zu einer Zeit, in der man in Zürich Schwarze noch im Zirkus bestaunen konnte. Die Liebschaft sorgte international für Furore. Am Schluss musste gar die Uno entscheiden. Diese Woche ist die Pionierin der Liebe im Alter von 85 Jahren friedlich in Solothurn eingeschlafen. BLICK erzählt ihre Liebesgeschichte aus einer anderen Zeit.

Marita war schon in Tansania vergeben

Alles beginnt im Jahr 1951 als Anton Weber im damaligen Tanganjika (dem heutigen Tansania) weilte, um Landmaschinen zu verkaufen. Im Jahr 1954 schrieb der «Spiegel» dazu trocken: «Als sich Weber in der Nähe von Iringa im Gebiet des Wahehe-Stammes ein Farmhaus gebaut hatte, nahm er ein 19-jähriges Negermädchen in seine Dienste, und der Lauf der Dinge wollte es, dass die schwarze Marita im Hause des weissen Junggesellen Anton ein Kind zur Welt brachte.» Das deutsche Magazin schreibt weiter: Der «gutmütige Schweizer» habe seinen «schwarzen Seitensprung legalisieren» und Marita in die Schweiz bringen wollen. Damit begannen die Probleme. Weber hatte einen Nebenbuhler.

«Zähnefletschend erschien bei ihm ein alter Neger und erhob bei dem Eingeborenen-Tribunal Klage wegen Ehebruchs», heisst es im Artikel weiter. Marita sei seine Zweitfrau – und er habe auf den stammesüblichen Brautpreis schon eine Anzahlung geleistet. Der Mann schwor, das Baby der beiden zu töten – und seine Zweitfrau zurück in den Busch zu holen.

Früher wurden Schwarze als Attraktion vorgeführt

Die Geschichte der Afrikaner in der Schweiz begann im 19. Jahrhundert. Pascal Schmid vom Zentrum für Afrikastudien Basel: «Einerseits wurden angehende Missionare aus Afrika in die Schweiz geholt und in Basel ausgebildet. Andererseits gab es auch sogenannte Völkerschauen. Eigentliche Menschenzoos.» Ein düsteres Kapitel Schweizer Geschichte.

Der Schweizer Nationalcircus Knie zeigte zum Beispiel bis 1964 auf dem Sechseläutenplatz neben Tieren auch Menschen. Auch der Basler Zolli stellte Menschen aus. Es wurde mit «Togomädchen» oder «Negern aus dem Sudan» geworben.

Afrikanische Einwanderer sind in der Schweiz, im Gegensatz etwa zur Ex-Kolonialmacht Frankreich, die Ausnahme. «Ab den 1960er-Jahren kamen Afrikaner temporär in der Schweiz, um sich hier auszubilden. Oft auch im Rahmen von Entwicklungshilfe», so Schmid.

Anfang der 1980er-Jahre lebten etwa 10'000 afrikanische Staatsbürger in der Schweiz, die meisten davon aus Nordafrika. Heute machen Afrikaner etwa fünf Prozent der ausländischen Bevölkerung aus. Die Schweiz wird bunter. 2007 kam mit Ricardo Lumengo der erste Nationalrat ins Amt, bei dem beide Eltern aus Afrika stammen. Auch an der Spitze einer der grössten Schweizer Banken steht mit Tidjane Thiam ein Mann mit Wurzeln in Afrika.

Das koloniale Erbe führt noch heute immer wieder zu hitzigen Debatten. Aktuelle Beispiele: Die Mohrenkopf-Diskussion oder eine Gugge namens «Negro-Rhygass». Und eine Studie der ZHAW stellte fest: Noch immer ist Alltagsrassismus gegenüber Menschen mit schwarzer Hautfarbe ein grosses Thema. Bei der Job- oder Wohnungssuche, im Bildungsbereich oder im Kontakt mit der Polizei.  

Werbeplakat von 1932 für die Wanderausstellung «Die Lippen-Negerinnen».
Keystone

Die Geschichte der Afrikaner in der Schweiz begann im 19. Jahrhundert. Pascal Schmid vom Zentrum für Afrikastudien Basel: «Einerseits wurden angehende Missionare aus Afrika in die Schweiz geholt und in Basel ausgebildet. Andererseits gab es auch sogenannte Völkerschauen. Eigentliche Menschenzoos.» Ein düsteres Kapitel Schweizer Geschichte.

Der Schweizer Nationalcircus Knie zeigte zum Beispiel bis 1964 auf dem Sechseläutenplatz neben Tieren auch Menschen. Auch der Basler Zolli stellte Menschen aus. Es wurde mit «Togomädchen» oder «Negern aus dem Sudan» geworben.

Afrikanische Einwanderer sind in der Schweiz, im Gegensatz etwa zur Ex-Kolonialmacht Frankreich, die Ausnahme. «Ab den 1960er-Jahren kamen Afrikaner temporär in der Schweiz, um sich hier auszubilden. Oft auch im Rahmen von Entwicklungshilfe», so Schmid.

Anfang der 1980er-Jahre lebten etwa 10'000 afrikanische Staatsbürger in der Schweiz, die meisten davon aus Nordafrika. Heute machen Afrikaner etwa fünf Prozent der ausländischen Bevölkerung aus. Die Schweiz wird bunter. 2007 kam mit Ricardo Lumengo der erste Nationalrat ins Amt, bei dem beide Eltern aus Afrika stammen. Auch an der Spitze einer der grössten Schweizer Banken steht mit Tidjane Thiam ein Mann mit Wurzeln in Afrika.

Das koloniale Erbe führt noch heute immer wieder zu hitzigen Debatten. Aktuelle Beispiele: Die Mohrenkopf-Diskussion oder eine Gugge namens «Negro-Rhygass». Und eine Studie der ZHAW stellte fest: Noch immer ist Alltagsrassismus gegenüber Menschen mit schwarzer Hautfarbe ein grosses Thema. Bei der Job- oder Wohnungssuche, im Bildungsbereich oder im Kontakt mit der Polizei.  

Ein Dorn im Auge der Kolonialbehörden

Weil auch die britischen Kolonialbehörden die «Misch-Ehe» verboten, flüchteten Marita, Anton und das Baby nach Daressalam – denn Ausreisen durfte Marita nicht.

Weber reiste zurück in die Schweiz. Ohne Frau und Kind. Er schrieb Hilferufe an das britische Kolonialamt in London, die Schweizer Regierung, sogar an die Gattin des ehemaligen US-Präsidenten Roosevelt. Mit Erfolg.

Im März 1954 zitiert die «NZZ» aus einem Bericht an die Vereinten Nationen: «Das Mädchen ist erst 19 Jahre alt und unverdorben und beherrscht lediglich ihre Stammessprache. Aus diesen Gründen muss gesagt werden, dass sie sich nur schwer an das Leben in der Schweiz gewöhnen wird.» Trotzdem erlaubte die lokale Regierung die Ausreise. Allerdings: Weber war in Tansania nicht mehr willkommen. Da der Schweizer bewiesen habe, «dass er die öffentliche Ordnung des Treuhand-Gebietes stört». Für den «Spiegel» war klar: Weber und seine Frau haben «unzeitgemässen Grundsätzen britischer Kolonialpolitik einen persönlichen Sieg abgetrotzt». Das Verbot der «Misch-Ehe» überdauerte noch Jahrzehnte. 

Eine der ersten schwarz-weissen Ehen der Schweiz

Marita lebte sich in der Schweiz gut ein – und gebar ihrem Ehemann noch einen weiteren Sohn und eine Tochter. Traurig steht nun Kary Weber (56), der jüngste Sohn des Paars, vor dem offenen Sarg seiner Mutter in Solothurn.

«Sie war für mich eine Heldin der Liebe», sagt er. «Alle Leute mochten sie. Am Schluss war sie eine richtige ‹Bünzlischweizerin›», sagt Kary. Der Mitarbeiter einer Kirchgemeinde will, dass die Pionierleistung seiner Eltern anerkannt wird. «Marita war unter den allerersten schwarzen Frauen, die legal im Britischen Commonwealth eine Misch-Ehe eingingen.»

Und eine der frühen offiziellen schwarz-weissen Ehen in der Schweiz. Einfach war das nie: «Wir waren früher oft mit Rassismus konfrontiert. Aber meine Eltern haben sich davon nicht beeindrucken lassen.» Anton Weber verstarb bereits 1976 – jetzt ist ihm seine Marita gefolgt.

Misch-Ehen hatten es lange schwer

Das Recht, zu heiraten, wen man will, ist jung. Sehr jung. Denn «Misch-Ehen» waren lange verpönt. Und sind es manchmal auch heute noch.

Als Katholik eine Protestantin heiraten? In der Schweiz lange Zeit undenkbar. Und bis 1970 nur mit Sonderbewilligung des Bischofs möglich. Noch 1948 hiess es in Hirtenbriefen: «Darum, liebe, junge Leute, gibt es gegen die Gefahr, in eine gemischte Ehe zu geraten, nur ein Heilmittel: Niemals lasse ich mich in eine gemischte Bekanntschaft ein!»

Mancherorts konnte die Heirat mit der falschen Person sogar tödlich enden. «Rassenschande» nannte man es in Nazi-Deutschland ab 1935, wenn sich ein «Deutschblütiger», wie es hiess, mit einer Jüdin einliess. Nicht das erste rassistische Ehegesetz Deutschlands: Bereits 1906 war die Ehe zwischen den verschiedenen Rassen in Deutschen Kolonien verboten.

Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieb der Rassismus bei der Eheschliessung ein Thema. 1949 wurde in Südafrika das Verbot sexueller Beziehungen zwischen Schwarzen und Weissen sogar verschärft – die Polizei eröffnete die Jagd auf Liebespaare. Das Gesetz hielt sich bis in die 80er-Jahre.

In den USA war die Situation nicht besser. Die rassenübergreifende Liebe konnte dort während 300 Jahren im Knast enden. Der erste Bundesstaat führte sein Verbot 1661 ein. Plantagenbesitzer fürchteten damals, dass sich ihre weissen Töchter in die schwarzen Sklaven verlieben könnten. Erst in den 60er-Jahren wurde das Gesetz durch einen Gerichtsentscheid gekippt. 

Heute sind in der Schweiz die gesetzlichen Schranken gefallen. In den letzten 30 Jahren haben sich gemischt-nationale Ehen verdoppelt. Nur noch bei jeder zweiten Hochzeit haben beide Partner den roten Pass. Einzig: In den Köpfen halten sich die Vorurteile länger als auf dem Papier. Umfragen in den USA zeigen etwa, dass die Befürworter gemischtrassiger Ehen erst seit 1991 in der Mehrheit sind.

Das Recht, zu heiraten, wen man will, ist jung. Sehr jung. Denn «Misch-Ehen» waren lange verpönt. Und sind es manchmal auch heute noch.

Als Katholik eine Protestantin heiraten? In der Schweiz lange Zeit undenkbar. Und bis 1970 nur mit Sonderbewilligung des Bischofs möglich. Noch 1948 hiess es in Hirtenbriefen: «Darum, liebe, junge Leute, gibt es gegen die Gefahr, in eine gemischte Ehe zu geraten, nur ein Heilmittel: Niemals lasse ich mich in eine gemischte Bekanntschaft ein!»

Mancherorts konnte die Heirat mit der falschen Person sogar tödlich enden. «Rassenschande» nannte man es in Nazi-Deutschland ab 1935, wenn sich ein «Deutschblütiger», wie es hiess, mit einer Jüdin einliess. Nicht das erste rassistische Ehegesetz Deutschlands: Bereits 1906 war die Ehe zwischen den verschiedenen Rassen in Deutschen Kolonien verboten.

Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieb der Rassismus bei der Eheschliessung ein Thema. 1949 wurde in Südafrika das Verbot sexueller Beziehungen zwischen Schwarzen und Weissen sogar verschärft – die Polizei eröffnete die Jagd auf Liebespaare. Das Gesetz hielt sich bis in die 80er-Jahre.

In den USA war die Situation nicht besser. Die rassenübergreifende Liebe konnte dort während 300 Jahren im Knast enden. Der erste Bundesstaat führte sein Verbot 1661 ein. Plantagenbesitzer fürchteten damals, dass sich ihre weissen Töchter in die schwarzen Sklaven verlieben könnten. Erst in den 60er-Jahren wurde das Gesetz durch einen Gerichtsentscheid gekippt. 

Heute sind in der Schweiz die gesetzlichen Schranken gefallen. In den letzten 30 Jahren haben sich gemischt-nationale Ehen verdoppelt. Nur noch bei jeder zweiten Hochzeit haben beide Partner den roten Pass. Einzig: In den Köpfen halten sich die Vorurteile länger als auf dem Papier. Umfragen in den USA zeigen etwa, dass die Befürworter gemischtrassiger Ehen erst seit 1991 in der Mehrheit sind.

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