Gerichtspsychiater Martin Kiesewetter über die Bestie von Rupperswil
«Er muss die Tat mehrmals durchgespielt haben»

Thomas N.* (33) habe den brutalen Mord genau geplant, ist der renommierte Zürcher Psychiater Martin Kiesewetter (71) überzeugt.
Publiziert: 15.05.2016 um 17:24 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 06:35 Uhr
Walter Hauser
Martin Kiesewetter ist Doktor für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie. Als Zürcher Gerichtspsychiater verfasste er zahlreiche Gutachten über Straftäter.
Foto: Thomas Buchwalder

Herr Kiesewetter, wenn ein 33-Jähriger scheinbar aus dem Nichts vier Menschen auf grausamste Weise ermordet: Was sagt das über den Täter?

Martin Kiesewetter: Zweifellos hat er alles lange im Voraus gedanklich durchgespielt. Anders lassen sich das kontrollierte Vorgehen und die eiskalt ausgeführte Tat nicht erklären. Auch hat der Täter im Vorfeld sicher das eine oder andere ausprobiert, etwa mit Klebeband, Fesseln oder mit dem Messer experimentiert. Er muss eine gewisse technische Fertigkeit im Umgang mit diesen Tatwerkzeugen entwickelt haben. So etwas erlangt man nicht von einem Tag auf den anderen.

Nach dem Mord lebte Thomas N. weiter, als sei nichts geschehen. Er lief sogar beinahe täglich am Tatort vorbei. Wie schaffte er das?

Auch den Rückzug ins Privatleben muss er genau geplant haben. Alles scheint bei diesem Mann kontrolliert abzulaufen. Sicher war er früher charmant zu den Nachbarn und ein guter Juniorenfussball-Trainer. Es deutet alles darauf hin, dass er auch diese Rolle, jene des unbescholtenen Bürgers, beherrschte.

Was steckt hinter dieser Tat?

Das ist Spekulation. Es gibt nach meiner Kenntnis kein verständliches Motiv.

Staatsanwaltschaft und Polizei sprachen von einem finanziellen und einem sexuellen Beweggrund.

Thomas N. galt als unscheinbarer Einzelgänger. Hinter der Maske verbarg sich ein eiskalter Killer.
Foto: ZVG

Der Tathergang zeigt, dass der Täter Menschen durch Fesselung und Knebelung wehrlos und hilflos machte, sodass sie ihm völlig ausgeliefert waren. Er erlangte Macht über die Opfer und erlebte sie intensiv. Das alles hat er im Voraus geplant oder mindestens in Betracht gezogen. Genauso die Erniedrigung der Opfer durch die Erpressung von Geld und den sexuellen Missbrauch des 13-jährigen Sohnes. Danach zog er seinen Plan offenbar erst recht durch, bis zum brutalen Ende, indem er den Opfern die Kehle durchtrennte. Er wusste, dass er alle vier Personen, alle Zeugen, töten musste. Auch das war einkalkuliert.

Was ist für Sie das Rätselhafteste an diesem Mord?

Die grosse Frage für mich lautet: Wie schaffte es der Täter, dass Frau Schauer ihre unbegleitete Fahrt zu den Bancomaten nicht dazu nutzte, Alarm zu schlagen? Er muss ihr ein Versprechen gemacht oder ihr gedroht haben. Vielleicht hatte er sie während der Autofahrt auch durch ein eingeschaltetes Handy oder Mikrofon unter Kontrolle. Sie muss die Vorstellung gehabt haben, dass ihr Hilferuf alles noch schlimmer machen würde. Aber das ist reine Spekulation und muss sich bei der weiteren Untersuchung weisen.

Ist Thomas N. ein Sadist?

Dass die Tat sadistische Züge trägt, ist offenkundig.

* Name der Redaktion bekannt

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