Freddy Nock (55) sitzt seit Mittwoch hinter Gittern. Jahrelang misshandelte er seine Noch-Ehefrau Ximena Nock (44), schlug und würgte sie. Das Bezirksgericht Zofingen AG sprach den Artisten wegen versuchter vorsätzlicher Tötung schuldig. Er muss für zehn Monate in den Knast. (BLICK berichtete)
Beim Prozess brach Ximena Nock immer wieder in Tränen aus. Schluchzte. Der gebürtigen Chilenin fiel es sichtlich schwer, über die Gewaltausbrüche des Akrobaten zu sprechen. Doch was auf den ersten Blick erstaunte: Trotz der Schläge, Erniedrigungen und Würgeattacken blieb sie bei ihm.
Erst Prügel, dann Versöhnung – ein Teufelskreis
Dieses Verhalten sei typisch für Frauen in gewalttätigen Beziehungen, erklärt Pia Allemann (52) von der Beratungsstelle für Frauen gegen Gewalt in Ehe und Partnerschaft (BIF). «Nach Gewaltausbrüchen folgt eine intensive Versöhnung. Der Mann entschuldigt sich überschwänglich, zeigt Reue, verspricht, sich zu bessern. Frauen vergleichen diese Momente mit der anfänglichen Verliebtheitsphase», sagt Allemann zu BLICK.
Doch die Reue und Liebesbekundungen halten nur kurz an. Dann beginne das Ganze wieder von vorne. Ein Teufelskreis! Dieses ständige Auf und Ab, diese extremen Gefühle schweissten ein Paar zusammen. Sich dann trotz Gewaltattacken zu trennen, sei schwierig. Allemann: «Die Erfahrung zeigt, dass es drei bis fünf Anläufe braucht, um sich definitiv von einem gewalttätigen Partner zu trennen.» Weitere Trennungshindernisse: gemeinsame Kinder oder finanzielle Abhängigkeit der Frauen.
Gab sich die Schuld für die Würgeattacken
Das Perfide: Die Täter geben ihren Opfern die Schuld für die Misshandlungen. Sie habe etwas gesagt oder getan, worauf er mit Schlägen reagieren «musste». «Frauen nehmen diese Opferrolle oftmals an. Sie machen sich Vorwürfe, versuchen es, dem Mann recht zu machen», führt die BIF-Sprecherin aus.
Auch Ximena Nock erging es so. Beim Prozess erzählte sie, wie sie lange Zeit die Schuld bei sich suchte. Jahrelang blieb sie bei ihm, hoffte bis zuletzt, dass sich der Seilkünstler noch ändern würde. Vergeblich! Ein Schicksal, dass die Noch-Ehefrau von Freddy Nock mit vielen anderen Opfern in der Schweiz teilt. Im vergangenen Jahr wurden allein im Kanton Zürich 3227 polizeilich registrierte Fälle von häuslicher Gewalt verzeichnet. Das sind etwa neun Fälle pro Tag.
«Meist sind es schwer traumatisierte Frauen, die von einem länger dauernden Strafverfahren betroffen sind», sagt Corina Elmer von der Frauenberatung sexuelle Gewalt. Daher sei es für das Umfeld wichtig, hinzuschauen, nachzufragen und zu unterstützen. Denn: «Ein Täter muss wissen, dass sein Tun strafbar ist.» Das wurde Freddy Nock gestern klar, als die Beamten ihn aus dem Gerichtssaal führten – direkt in den Knast.
Leben Sie ebenfalls in einer gewalttätigen Beziehung? Kostenlose und vertrauliche Hilfe erhalten Sie bei der Opferhilfe Schweiz.