Am Freitag ist es zwei Wochen her, seit auf der A1 bei Wangen an der Aare BE die Chauffeuse Larissa T.* (33) mit ihrem LKW rechts auf dem Pannenstreifen zwei andere Lastwagen überholte. Das gefährliche Manöver wurde von der Dashcam des hinteren LKWs gefilmt. Und sorgte für Kopfschütteln. Larissa T. wurde fristlos entlassen und sagte gegenüber BLICK nur, dass sie ihre Rechtsschutzversicherung eingeschaltet habe. Die Polizei nahm mittlerweile die Ermittlungen auf.
Auf Nachfrage von BLICK will sich die Kantonspolizei Solothurn noch nicht weiter zum Vorfall äussern. «Wir klären den Sachverhalt ab, inklusive der Befragung von Beteiligten und allfälligen Zeugen», sagt Sprecher Bruno Gribi. Dann werde man den Vorfall nach Abschluss der Ermittlungen an die zuständige Staatsanwaltschaft rapportieren. «Diese wird anhand der vorliegenden Faktenlage dann klären, ob das Videomaterial verwertet werden kann und darf.»
Bundesgericht lässt Dashcam-Aufnahmen als Beweis nicht zu
Heisst das, dass Larissa T. allenfalls gar ungestraft davonkommt? Die Emmentalerin dürfte für die Polizei anhand der LKW-Aufschrift ihres Auftraggebers ausfindig gemacht worden sein. Nur: Wenn die Polizei die beiden anderen LKW-Fahrer nicht findet oder sich nicht Zeugen melden, bleiben nur die Dashcam-Aufnahmen als Beweis – und diese lässt das Bundesgericht als höchste richterliche Instanz in der Schweiz nicht zu!
Der ehemalige Datenschutzbeauftragte, Hanspeter Thür (71), erklärt auf Anfrage von BLICK: «Grundsätzlich sind solche Dashcam-Aufnahmen sehr umstritten, da sie gegen den Persönlichkeitsschutz verstossen können.» Für die Polizei können sie bei den Ermittlungen «natürlich sehr hilfreich» sein. Aber er bestätigt: «Sie darf sich nicht nur auf die Aufnahmen abstützen, da diese allenfalls vor Gericht nicht zulässig sind.» Das Bundesgericht lasse sie als Beweismittel nicht zu. Thür: «Es sei denn, sie dienten der Aufklärung einer schweren Straftat.»
Landet der Fall überhaupt vor Gericht?
Da Larissa T. mit ihrem Manöver keine schwere Straftat begangen haben dürfte, könnte die Staatsanwaltschaft nach Erhalt des ausreichend dargestellten Polizei-Rapports die LKW-Fahrerin anstatt vor Gericht zu ziehen auch per Strafbefehl verurteilen. Nur: Sollte die Brummi-Fahrerin dagegen Einsprache machen, würde der Fall doch noch vor Gericht landen. Und dort hätte sie dann gute Chancen.
Denn: «In einem Streitfall zählen nur die rechtmässig erhobenen Beweise», sagt Thür. Und: «Nur mit dem Video als Beweis, könnte später das Gericht die besagte Chauffeurin auch freisprechen.»
Bleibt eine Frage: Wenn Dashcam-Aufnahmen nur bei schweren Straftaten helfen können – warum haben Autofahrer denn überhaupt solche Kameras? Hanspeter Thür kann nur spekulieren: «Vermutlich aus reiner Neugier.»
*Name geändert