Er bedrohte sie und ihre Kinder
Liebesschuft wollte Aargauerin (48) abzocken

«Romance Scam» heisst die betrügerische Masche, mit der Liebesbedürftige abgezockt werden. Nicht nur finanziell, sondern auch emotional. Ein Opfer berichtet, wie es von einem Betrüger um den Finger gewickelt wurde.
Publiziert: 07.04.2018 um 20:27 Uhr
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Aktualisiert: 03.10.2019 um 14:11 Uhr
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Maya Meier* (48) wurde Opfer von einem Online-Liebesbetrüger, einem sogenannten «Romance Scammer».
Foto: zVg
Marsel Szopinski

Maya Meier* (48) passt überhaupt nicht ins Beuteschema der Online-Liebesbetrüger. Die Aargauerin ist noch verheiratet und hat Kinder, ist also eigentlich nicht verzweifelt auf der Suche nach einem Liebhaber. Trotzdem ist sie einem «Romance Scammer» zum Opfer gefallen. Sie ist eine attraktive, blonde und erfolgreiche Frau. Aus Angst um ihre Kinder will Meier anonym bleiben.

Angefangen habe die vermeintliche Romanze auf Facebook, erzählt Meier. «20 Jahre Ehe sind eine lange Zeit und mir war langweilig.» Eine Freundin will sie vom Alltag ablenken und lädt sie auf eine Facebook-Seite ein. Dort gefällt ihr ein Bild eines gutgebauten Mannes. Sie hinterlässt ein «Wow!» als Kommentar darunter. 

Eine virtuelle Affäre begann

Zwei Wochen später wirft der Betrüger sein Netz aus. Ein gewisser James Taylor* (45) schickt ihr eine Freundschaftsanfrage. «Dann folgte gleich als Erstes ein Kompliment und damit begann ein ganz normales Gespräch.» Der Muskelmann umgarnt die noch ahnungslose Meier, bis sich eine virtuelle Affäre daraus entwickelt.

Sie telefonieren stundenlang, vor allem spät nachts. «Die Stimme war immer dieselbe, also schöpfte ich vorerst keinen Verdacht», sagt sie. Sogar über Video-Chat haben sie Kontakt. 

Betrüger sang sie in den Schlaf

Meier ging es damals nicht gut: Sie musste viel arbeiten, ihre Ehe steckte in der Sackgasse, ihr fehlte die Aufmerksamkeit. Taylors Liebeleien wirken wie Medizin in der schweren Zeit. Sie unterstreicht: «Alle Frauen wünschen sich so einen Mann. Es war wie ein Märchen. Einfach schön!» Gar in den Schlaf habe er sie gesungen. Regelrecht verliebt war sie: «Er hat ständig angerufen — es ist so schön, dass da jemand ist und einfach fragt, wie es dir geht!»

Doch es war zu schön, um wahr zu sein. Früh zweifelt Meier an der Echtheit ihres Liebhabers. Die Indizien häufen sich: Zuerst war da die nigerianische Vorwahl bei der Nummer auf seinem Facebook-Profil. Da war sein Afrika-Tattoo, obwohl er vorgab, von den Bahamas zu stammen. Da war sein immer wechselndes Aussehen auf den Fotos. Da war ein Kinderschuh in seinem Mercedes. 

Als sie Taylor auf die Unstimmigkeiten anspricht, dreht dieser durch. Beschimpft sie: «Du liebst mich nicht, du vertraust mir nicht!» Danach fleht er um Meiers Mitleid. Seine Mutter sei verstorben, er könne keine Kinder kriegen. 

«Ich kann keine Liebe von dir haben, also will ich Geld» 

Plötzlich spitzt sich die Lage zu. Er sagt: «Ich kann keine Liebe von dir haben, also will ich Geld.» Nun beginnt er zu drohen. Er werde ihrer Chefin Nacktbilder von ihr schicken, die sie ihm offenbar gesendet hatte. Er werde ihrem Mann von der Affäre erzählen, ja sogar ihr und den Kindern etwas antun.

Taylor weiss alles über sie, hat die Details ihres Lebens gesammelt. Er fragt Meier, welche Summe sie bieten könne. Verzweifelt macht sie ihm Angebote: Bei 1000 Franken lacht er höhnisch – bei 50'000 Franken gibt er sich zufrieden.

Hatte er Gefühle für Meier?

Weihnachten wird zum Albtraum. Meier weint, schliesst sich im Schlafzimmer ein, während die Familie weiter das Fest der Liebe feiert. Sie telefoniert wieder mit ihm. Plötzlich ist er wie ausgewechselt, verspricht ihr ewige Liebe. Und was ist mit den Drohungen? Ein Hacker habe sein Handy geknackt. 

Der Sinneswandel ist merkwürdig. Meier versteht ihn nicht, auch nicht, dass er sie auf die 50'000 Franken nicht mehr anspricht. Meier vermutet: «Ich denke nicht, dass er sich in mich verliebt hat, aber dass er trotzdem irgendwelche Gefühle entwickelt hat.»

«Ich bin ein Scammer»

Danach distanziert Meier sich trotz Liebeskummer von ihm. Er ruft ein letztes Mal lachend an. «Maya, Maya, Maya ... Ja, ich bin ein Scammer. Das ist mein Business.» Seither hat sie nichts mehr von ihm gehört, aber er sei weiterhin auf sozialen Netzwerken aktiv.

Von zwei anderen Frauen aus den USA erfährt Meier: Auch von ihnen forderte Taylor Geld. Diese brachen den Kontakt ab und verständigten die Behörden. Meier tat dies jedoch nicht. «Ich wünsche ihm, dass er auf legalen Wegen glücklich wird.» Sie vergibt ihm.

Meiers Leben geht nun weiter. Sie hat eine neue Stelle gefunden. Die 48-Jährige schätzt sich glücklich. Denn nicht alle Betrugsopfer finden wieder Kraft, das ist sich Meier bewusst. «Vor allem, wenn diese Menschen alleine und verzweifelt sind.»

* Namen geändert

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