Michelle H.* (22) wollte nicht im Stillen stillen – und flog dafür mit Getöse aus einer Zara-Filiale. Es ist für die junge Mutter das unschöne Ende eines eigentlich entspannten Shoppingausflugs ins Einkaufscenter Shoppi Tivoli in Spreitenbach AG.
Michelle H. war mit ihrer Freundin gerade in die Zara-Filiale spaziert, als ihr sechs Monate alter Sohn Hunger bekam. Michelle H. hebt deshalb kurz das T-Shirt, setzt das Baby an ihre Brust und stillt es. Das T-Shirt zieht sie ihm übers Köpfchen, so dass ihr Sohn unter dem Stoff ungestört trinken kann und nichts zu sehen ist.
«Ich stillte so diskret, dass man meinte, er schlafe. Niemand hat mich angeschaut – es fiel gar nicht auf», sagt die junge Mutter zu BLICK. So schlendert sie durch den Laden, während ihre Freundin sich umsieht.
Security wirft sie raus
Das tut auch der Sicherheitsmann und glaubt gesehen zu haben, wie Michelle H. den Still-BH geöffnet hatte. «Sicher war er sich aber nicht. Denn als er auf mich zukam, musste er mich erst fragen, ob ich am Stillen sei», erzählt Michelle H. «Als ich bejahte, meinte er, dass ich das hier nicht dürfe.» Sie antwortet, dass andere Kinder hier auch trinken würden. Der Sicherheitsmann ist verdutzt ob der Widerworte, geht weg.
Wenige Augenblicke später kehrt er zurück und eröffnet Michelle H., dass die Chefin der Filiale bestätigt habe, dass Stillen hier nicht erlaubt sei. «Ich müsse aufhören oder er würde mich rausbegleiten, sagte er. Wir gingen – weil ich keine Zeit für eine Diskussion hatte. Zudem wollte ich nicht, dass meine Freundin auch noch ein Hausverbot erhält.» Das Shirt, das sich die Freundin bereits ausgesucht hatte, kauften sie nicht mehr.
«Habe nichts Unrechtes getan»
Das Ereignis nervt die junge Mutter auch drei Wochen später noch. «Wer sind die denn, dass sie bestimmen können, ob ich meinem Sohn zu trinken geben darf oder nicht? Ich decke alles ab, das ist mir wichtig», sagt sie. Sie wisse, dass es im Shoppi Tivoli einen Stillraum gebe, aber der lag am anderen Ende des Einkaufszentrums.
Zara entschuldigt sich
Zara tut der Vorfall leid. In einem Schreiben an Michelle H., das BLICK vorliegt, schiebt die Modekette die Schuld dem Security-Mitarbeiter zu, der «wahrscheinlich nach seiner eigenen Meinung agiert» habe. Man wolle den Fall mit der Filialleitung besprechen. Zara werde dafür sorgen, dass das nicht mehr passiere.
Michelle H. freut sich: «Jetzt werde ich bei Gelegenheit mal ausprobieren, ob ich beim Stillen nicht mehr rausgeschmissen werde.»
Tivoli-Leiter Patrick Stäuble wollte den Vorfall auf Anfrage von BLICK nicht kommentieren. In den allgemeinen Bereichen des Shoppi werde das Stillen nicht verboten. Nebst der allgemeinen Hausordnung könne aber jedes Geschäft für seine Flächen weitere Regeln aufstellen.
* Name geändert
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Stillen ist in der Schweiz erlaubt, selbstverständlich auch in aller Öffentlichkeit. Allerdings darf der Inhaber eines halb öffentlichen Ortes, zum Beispiel eines Ladens, eine Stillende unter Berufung auf sein Hausrecht hinauswerfen. So weit die juristische Theorie. In der Praxis passiert das selten.
Stillen ist in der Schweiz wieder erwünscht – nachdem man bis in die 1970er-Jahre «das Fläschchen» für modern hielt. Seit den 1920er-Jahren gab es industriell hergestellte Säuglingsnahrung und das Füttern mit ihr wurde als fortschrittlich-emanzipatorisch angesehen. Erst in den 70ern gründeten sich Organisationen wie La Leche Liga, die in der Öffentlichkeit, bei Ärzten und Hebammen fürs Stillen warben: Muttermilch, so hiess und heisst es, sei für ein Neugeborenes das Beste.
Frauen sind von sich aus diskret
Heute gibt es wieder mehr Still- als Flaschenkinder, auch in der Schweiz. Dass stillende Frauen anecken, ist selten. Andrea Weber-Käser (46), Geschäftsführerin des Schweizerischen Hebammenverbandes, führt dies auch auf das Verhalten der meisten Mütter zurück. Während eine Minderheit ihr Kind stillt, wo es ihr passend erscheint, «und sich das Recht einfach herausnimmt», meiden die meisten anderen Frauen Orte, wo sie schräge Blicke ernten könnten wie noblere Cafés oder Restaurants. Sie suchen von sich aus familienfreundliche Lokalitäten auf, wo Stillen akzeptiert ist.
Die Stillförderung Schweiz betreibt die App «Mamamap», wo über 1000 Adressen in der Schweiz aufgeführt sind, an denen Frauen in Ruhe stillen können. So haben etwa auch Apotheken solche Angebote.
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Stillen am Arbeitsplatz – die gesetzliche Grundlage ist klar: Frauen, die bis zu vier Stunden pro Tag arbeiten, haben ein Anrecht auf mindestens 30 Minuten Stillzeit. Und zwar bezahlt. Dafür aufkommen muss der Arbeitgeber. Bei sieben Stunden Arbeitszeit dürfen Mütter mindestens 90 Minuten fürs Stillen oder Abpumpen benützen.
Stillrealität und Theorie liegen weit auseinander, so Grünen-Graf
Doch trotz klarer Regelung: In der Praxis würden viele Arbeitgeber ihren Mitarbeiterinnen das Still-Leben nicht einfach machen, so Grünen-Nationalrätin Maya Graf (56, BL). Die Co-Präsidentin der Frauenorganisation Alliance F ist überzeugt: «Nebst organisatorischen Herausforderungen sind auch finanzielle Einbussen bei den Arbeitgebenden oft ein Hindernis, die bezahlten Stillpausen zu ermöglichen.»
Jetzt fordert Graf gemeinsam mit Vertretern von SP, GLP und CVP bezahlte Stillpausen. Arbeitgeber sollen für die Zeit, in der die Mitarbeiterin dem Kind die Brust gibt, finanziell entschädigt werden. Das Geld hierfür soll über die Erwerbsersatzordnung (EO) gedeckt sein. Zur Erklärung: Die EO zahlt bisher den Ausfall bei Militäreinsatz und den Mutterschutz.
In wenigen Betrieben würden Mütter überhaupt darauf hingewiesen, dass sie Stillzeit zur Verfügung hätten. Und sie zögern, weil sie keine Umstände bereiten möchten. Wäre die Zeit bezahlt, würde das hinfällig, ist Graf überzeugt.
Keinen Handlungsbedarf sieht der Arbeitgeberverband, schliesslich regle das Arbeitsgesetz die Stillzeit bereits, sagt Daniella Lützelschwab, Geschäftsleitungsmitglied des Arbeitgeberverbandes. «Diese Regelungen sind zwingend einzuhalten. Alternativlösungen dazu braucht es nicht.»
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