Am frühen Mittwochmorgen floh Karl Jeker (52) aus der geschlossenen Abteilung der psychiatrischen Klinik Königsfelden in Windisch AG. Dort wurde er wegen des Mordes an seinem Bruder stationär behandelt (BLICK berichtete). Die Klinik ist kein Hochsicherheitsgefängnis – trotzdem dürfte Jekers Flucht aus der geschlossenen Station kein Spaziergang gewesen sein.
Wie kam er aus dem Gebäude?
Denn: Die Abteilung ist streng gesichert. Sie verfügt über eine Innen- und Aussensicherung. Die Innensicherung erfolgt in Form eines Doppelschleusensystems. «Dieses kann ein Patient ohne Badges oder Schlüssel nur mit Gewalt durchdringen», sagt Peter Wermuth, Chefarzt und Leiter der Klinik für forensische Psychiatrie der Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG) zu BLICK.
Die Aussenhülle rund um die ganze Klinik sei ausserdem mit Fenstern aus doppeltem Sicherheitsglas, die sich nicht öffnen liessen, geschützt. Der Innenhof und der Tiefgarten sind ebenfalls abgesichert.
Neben den baulichen Sicherheitsmassnahmen sei auch das Pflegefachpersonal 24 Stunden auf der Station im Einsatz. Über ein Notfall- und Alarmierungssystem könne zudem sofort zusätzliches Personal oder die Polizei angefordert werden.
Flucht im Duett
Doch wie es scheint, waren all diese Massnahmen nicht genug. Wo genau die Sicherheitslücke liegt, können die PDAG wegen der laufenden Ermittlungen zurzeit nicht beantworten. Die Kantonspolizei Aargau hat Jeker zur Fahndung ausgeschrieben. «Sämtliche Polizeistationen und Grenzübergänge in der Schweiz sind informiert», sagt Pressesprecher Roland Pfister zu BLICK.
Der Bruder-Killer ist gemeinsam mit einem weiteren Patienten, einem 37-jährigen Mann, entwischt. Dieser konnte in einem Nachbarkanton angehalten werden und wird derweil befragt. Die Polizei hofft, durch die Befragung neue Erkenntnisse zur Flucht und um den Verbleib von Karl Jeker zu bekommen.
Nicht die erste Flucht in Königsfelden
Die beiden Männer waren nicht die ersten Patienten, die aus der geschlossenen Abteilung in Königsfelden entweichen konnten. Vor rund eineinhalb Jahren gelang dem 22-jährigen Mörder Kris V.* die Flucht. Er hatte mit einem Werkzeug das Sicherheitsnetz vor dem Balkon durchschnitten und konnte sich so von der Station abseilen.
Damals kündigten die PDAG Sofortmassnahmen zur Erhöhung der Sicherheit an. Dazu gehörte laut Chefarzt Peter Wermuth, dass Patienten aus den Gefängnissen, die in einer Krise psychiatrische Behandlung benötigten, bei bestehender Fluchtgefahr zusätzlich durch private Sicherheitsdienste überwacht werden.
Den jüngsten Ereignissen zufolge werden die PDAG die Sicherheitsmassnahmen wohl erneut evaluieren und anpassen müssen.