Es ist dicke Post für die Pöstler der Abendzustellung in Mägenwil AG: Ab Mitte April werden sie nicht mehr am Vortag wissen, um welche Uhrzeit ihre Arbeit anfängt. Erst um 12 Uhr werden sie dies in der Personal-App erfahren. Frühester Arbeitsbeginn ist um 14.30 Uhr, der späteste um 16.30 Uhr.
Die Post fordert damit die totale Flexibilität von den Pöstlern. Bislang erhielten diese den definitiven Arbeitsplan mit den unterschiedlichen Zeiten jeweils zwei Wochen im Voraus.
Die Unzufriedenheit der Belegschaft über diese Änderung ist gross. «Wir wurden Ende März lediglich bei einer Powerpoint-Präsentation über diese Änderung informiert», sagt Pöstler Anton K.* zu BLICK.
Die Post will damit Leerzeiten abschaffen
Von den «flexiblen Arbeitszeiten» profitiert vor allem die Post. Denn heute müssen Mitarbeiter immer mal wieder auch andere Arbeiten in der Zentrale erledigen, bis sie auf Tour können. Das ist abhängig davon, wie viele Pakete zugestellt werden müssen. Die Post will diese Leerzeiten mit dem neuen System nun abschaffen.
Für die rund 40 Mitarbeiter hat das fast nur Nachteile. «Da ich mich erst gleichentags darüber informieren kann, wann mein Arbeitsbeginn ist, kann ich kaum meine Freizeit drum herum planen», sagt K. Schliesslich müsse er täglich damit rechnen, den frühesten Dienst bereits um 14.30 Uhr antreten zu müssen.
Kommt hinzu: Während so die Präsenzzeit gefühlt viel grösser wird, drohen den Pöstlern gleichzeitig mehr Minusstunden. «Wenn ich wegen einer kleineren Tour erst um 16.30 Uhr anfangen muss, mache ich an diesem Tag Minusstunden – denn auf das Arbeitsende hat der spätere Arbeitsbeginn keinen Einfluss», sagt K. Er befürchtet dadurch mehr zusätzliche Einsätze an Samstagen. «Die Post wälzt das unternehmerische Risiko der Wartezeiten damit einfach auf die Mitarbeiter ab», sagt er.
Verstoss gegen den Gesamtarbeitsvertrag
Für K. und weitere Mitarbeiter ist das ein grober Verstoss gegen den Gesamtarbeitsvertrag. «Darin steht, dass wir unseren Dienstplan zwei Wochen im Voraus erhalten.»
Die Post bestätigt gegenüber BLICK die Einführung des neuen Systems. Laut Sprecherin Jacqueline Bühlmann handle es sich dabei um ein Pilotprojekt. «Dieses wird aufgrund eines Bedürfnisses von Mitarbeitenden getestet.»
Mit dem neuen System würden die Mitarbeitenden davon profitieren, dass sie ihr Tourengebiet und den Dienstschluss bereits um 12 Uhr genau kennen würden und so ihren Feierabend besser planen könnten. Die Post wiederum profitiere davon, dass Leerzeiten entfallen «und eine gewisse Flexibilität im Personaleinsatz ermöglicht wird».
Laut Bühlmann ist die Teilnahme am Pilotprojekt freiwillig. Auch in der Distributionsbasis Basel werde das Projekt durchgeführt. «Bislang mit nur positiven Rückmeldungen.»
«Das ist schlicht illegal»
Pilotprojekt? Freiwillige Teilnahme? Davon wissen die Mitarbeiter in Mägenwil nichts. Das bestätigen drei Mitarbeiter unabhängig voneinander gegenüber BLICK. «Wir wissen Folgendes: Ab 15. April wird die flexible Arbeitszeit eingeführt. Danach gefragt wurden wir nie», so K. zu BLICK.
Ob freiwillig oder nicht: Das neue System verärgert auch die Gewerkschaft Syndicom. Sie bezeichnet die Einführung der flexiblen Arbeitszeiten schlicht als illegal: «Ein System mit solch kurzfristigen Vorlaufzeiten widerspricht den gesetzlichen Vorgaben», sagt Syndicom-Sprecher Christian Capacoel.
Auch das Argument der freiwilligen Teilnahme steche nicht: «Die Arbeitsgesetzgebung dient dem Schutz der Arbeitnehmenden. Es kann deswegen auch nicht mit dem Einverständnis der Arbeitnehmenden zu Ungunsten derselben abgeändert werden. Nur so wird verhindert, dass der Arbeitgeber seine Machtposition ausnutzen kann», sagt Capacoel.
Kaum im Amt und schon Puff mit Gewerkschaft
Die neuen, flexiblen Arbeitszeiten werden am 15. April eingeführt. Just einen Tag vor dem offiziellen Arbeitsbeginn des neuen Postchefs Roberto Cirillo (48). Dieser muss darum bereits an seinem ersten Arbeitstag Angriffe von Syndicom befürchten. Gewerkschafts-Sprecher Capacoel: «Der Post-Chef hat eigentlich Transparenz angekündigt und auch, dass er die Mitarbeitenden ernst nehmen und ihr Vertrauen wiedergewinnen will. So wird das aber nicht klappen.»
* Name geändert