Die lachende Sonne der Anti-AKW-Bewegung scheint vor dem Bürogebäude des Eidgenössischen Nuklearinspektorats (Ensi) beim Bahnhof von Brugg AG. Die Behörde hat die Oberaufsicht über die Sicherheit aller Schweizer Atomkraftwerke. Und wie jeden Tag unter der Woche schwenken Atomkraftgegner gelbe Fahnen mit ihrem Symbol. Das Grüppchen erinnert so an die Katastrophe von Fukushima. Der japanische Super-GAU jährt sich heute zum siebten Mal.
Acht Kilometer Luftlinie liegt das AKW Beznau mit seinen beiden Reaktoren von hier entfernt. Diese Woche entschied das Ensi, dass Beznau 1 wieder ans Netz darf. Der Reaktor stand drei Jahre lang still: In der Stahlhülle des Druckbehälters waren Hunderte von Verunreinigungen entdeckt worden. Das Ensi überprüfte den Mantel des Reaktorkerns mit Ultraschall – und befand: «Die Einschlüsse haben keine negativen Einflüsse auf die Sicherheit».
Die Betriebsbewilligung lässt ein weiteres massives Sicherheitsproblem ausser Acht, das schon 2011 in Japan zur Katastrophe führte: Die Anlage könnte bei Extremhochwasser meterhoch geflutet werden!
Veröffentlichung des Berichts bereits zwei Mal verschoben
Zweieinhalb Jahre nach der dortigen Kernschmelze gab der Bund das Projekt «Exar» in Auftrag. Mit der Studie soll erstmals das Gefahrenpotenzial von Extremhochwassern an Aare und Rhein beurteilt werden.
Die Veröffentlichung des Berichts wurde bereits zwei Mal verschoben. Gemäss Bundesamt für Umwelt (Bafu) sollen erste Ergebnisse Ende 2018 vorliegen.
SonntagsBlick hatte Einblick in eine wissenschaftliche Arbeit, die in die Exar-Studie einfliessen wird und sich mit historischen Hochwassern in Brugg AG befasst. Ihr Ziel: Wasserrisiken durch Einordnung früherer Höchststände abzuschätzen.
Verfasst hat den Bericht Heini Glauser (65). Anhand historischer Markierungen an Brücken und Häusern und durch das Studium alter Berichte wie der Stadtchronik von Brugg kommt der Energieingenieur zum Schluss: In der Vergangenheit traten mehrfach extreme Hochwasser auf. Für 1570, 1711 und 1852 sind solche extremen Hochwasser belegt.
Laut Glauser wird die Hochwassergefahr von den Verantwortlichen kleingeredet
Glauser fiel auf: Die damalige Wassermenge lag weit über den Maximalwerten, mit denen die Axpo heute rechnet. Das Energieunternehmen bezieht sich auf eine Untersuchung von 2009. Doch die unterschätze die Wassermenge bei extremen Hochständen, so Glauser.
Laut Glauser wird die Hochwassergefahr von den Verantwortlichen kleingeredet: «Würde es heute wieder zu einem Extremhochwasser wie 1852 kommen, hätte das katastrophale Folgen!»
Die Axpo argumentiert damit, dass Beznau nicht nur das grösstmögliche Hochwasser überstehen kann, sondern auch die Verstopfung einer Brücke oder eines Wehrs. «Insgesamt besitzt das Kernkraftwerk Beznau wesent-liche Sicherheitsmargen auch zu höheren Abflussmengen», schreibt die Axpo. Das Notstandsystem etwa, von wo das Werk im Katastrophenfall gesteuert werden kann, weise erst auf einer Höhe von etwa sechs Metern eine Öffnung auf und sei daher «faktisch nicht flutbar».
Auch das Ensi beteuert auf Anfrage, dass Beznau bereits über Hochwasserschutz und redundante Notstromversorgung verfüge. Zudem hätten nach Fukushima alle Schweizer Kraftwerksbetreiber bewiesen, dass ihre AKW ein extremes Hochwasser überstehen können. Die Aktivisten von der Mahnwache und Glauser werden trotzdem nicht müde: «Wir geben erst auf, sobald Beznau definitiv abgeschaltet wird.»